Rezension

Ungewöhnliches, schräges Buch über den Nordirlandkonflikt

Milchmann - Anna Burns

Milchmann
von Anna Burns

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Milchmann" von Anna Burns ist ein sehr außergewöhnliches Buch über den Nordirlandkonflikt irgendwann in den 1970er Jahren. Es wird aus dem Blickwinkel einer Achtzehnjährigen erzählt, die namenlos bleibt. Auch ansonsten tragen die Figuren keine Namen, sondern werden über den Verwandtschaftsgrad oder die Beziehung zur Protagonistin bzw. über ihre Eigenheiten identifiziert. Der Schreibstil ist gekennzeichnet von langen, manchmal abschweifenden Sätzen und ab und an tiefschwarzem schrägem Humor. Die Sätze scheinen geradezu direkt aus den Gedanken der Protagonistin zu stammen. Dieser einzigartige Schreibstil und die unbenannten Figuren machen das Buch zu etwas Besonderem, gleichzeitig aber auch etwas anstrengend zu lesen.

Der Nordirlandkonflikt bestimmt den gesamten Alltag der Protagonistin und tritt dabei doch in den Hintergrund. Nicht etwaige Anschläge machen ihr das Leben schwer, sondern die vielen willkürlichen Regeln, das Geschwätz der Leute über ihr Verhalten im Hinblick auf den Konflikt und die ständige Gefahr, als Verräter oder Denunziant angesehen zu werden. Vor dem Irrsinn der willkürlichen Regeln und der Unterdrückung allgemein verblasst der Irrsinn des bewaffneten Konflikts fast.

Die Erzählweise prägt das Buch und regt zum Nachdenken an - über den Nordirlandkonflikt, aber auch über das Leben allgemein in einem von Konflikten und (quasi-)staatlicher Unterdrückung geprägtem Umfeld. Das Lesen erfordert Konzentration, lohnt sich aber. Wer sich davon nicht abgeschreckt fühlt, dem möchte ich "Milchmann" gerne empfehlen.