Rezension

Unglaubwürdige Ausgangslage

Unter Wölfen - Alex Beer

Unter Wölfen
von Alex Beer

Bewertet mit 3 Sternen

Zweiter Weltkrieg in Nürnberg. Der Jude Isaak Rubinstein schleust sich unwillentlich als SS-Offizier bei der Gestapo ein. Es ist der einzige Weg, der seine Familie vor dem sicheren Ende rettet, und so landet er unter Wölfen.

„Unter Wölfen“ ist ein zeitgeschichtlicher Krimi, der mitten in das erschütternde Treiben während des Zweiten Weltkriegs platziert ist. Alex Beer spielt gekonnt mit der Kulisse, greift die Gefahren auf, und entwickelt einen soliden Krimi, der leider aufgrund der Umstände des Protagonisten nicht völlig überzeugt.

Isaak Rubinstein lebt mit seiner Familie in Nürnberg. Für die jüdische Bevölkerung wird das Netz immer enger, sie fühlen die Gefahr, und die deutschen Mächte brüsten sich, dass die Stadt bald frei von Juden sei. Daher bittet Isaak den Widerstand um Hilfe. Sie reichen ihm gerne die Hand, wenn er sich als Spion bei der Gestapo einschleusen lässt. Ihm bleibt keine Wahl.

So kommt es, dass aus dem Antiquariat Isaak Rubinstein der Sonderermittler Adolf Weissmann wird. Der echte Offizier erhielt den Auftrag vom Führerhauptquartier, den Mord an einer berühmten Schauspielerin aufzuklären. Adolf alias Isaak setzt sich damit mitten unter die Wölfe, wo er jederzeit auffliegen kann.

Die Idee um den jüdischen Spion, der als SS-Offizier die Gestapo unterwandert, hat mir sehr gut gefallen. Ich habe gehört, dass es das tatsächlich - wenn wahrscheinlich auch nicht in dieser Form - gegeben hat. Juden schleusten sich bei der SS ein, um das eigene Leben zu retten. 

Weniger gefallen haben mir die Umstände und Hintergründe um Isaak Rubinstein, weil auf mich die gesamte Situation unglaubwürdig wirkt. Denn er weiß gar nicht, worauf er sich einlässt, wird überhaupt nicht auf die Situation vorbereitet, und marschiert selbstbewusst durch die feindlichen Reihen, als ob er nie etwas anderes getan hätte. 

Das passt für mich leider überhaupt nicht, weil ein durchschnittlicher Mensch keine Ahnung von den Gepflogenheiten unter Offizieren hat. Dem normalen Bürger jener Zeit fehlt es meiner Meinung nach am Modell, um Auftreten und Gesten als real sowie aufrichtig verkaufen zu können.

Außerdem ist es meiner Ansicht nach wenig plausibel, dass sich die SS-Offiziere derart hinter's Licht führen lassen. Es waren intelligente Menschen, professionell ausgebildet und gefährlich, die sich höchstwahrscheinlich nicht mit billigen Ausreden abspeisen ließen. 

Dieser Kritikpunkt hat für mich den gesamten Krimi überschattet. Die Ermittlungen um den Mord sind spannend, fesselnd und interessant. Trotzdem steht die Handlung auf wackligen Füßen, weil ich dem Juden Isaak Rubinstein den Offizier Adolf Weissmann nicht glauben konnte.

Hinzu kommen viel zu viele Zufälle, welche die wahre Identität Isaaks verschleiern, und die Krimihandlung vorantreiben. 

Gefallen hat mir jedenfalls Alex Beers großartiger Erzählstil. Sie schafft es wunderbar, den Leser oder Hörer in ihre Handlung zu ziehen, und weiß trotz meiner Kritikpunkte gut zu unterhalten. Sie meistert es, Nürnberg im Zweiten Weltkrieg authentisch darzustellen, geht auf Veränderungen in der Stadt ein, und führt einen die systematische Vernichtung der Juden vor Augen, wenn ich diesen Part auch als zu verharmlost empfunden habe.

Alles in allem bin ich gern „Unter Wölfen“ gewesen, obwohl mich die Umstände um den Protagonisten nicht überzeugten. Ich finde es schade, dass seine Identität kein solideres Fundament - zum Beispiel durch entsprechende Vorbereitung durch den Widerstand - erhalten hat, und dadurch die Glaubwürdigkeit hemmt. Schlussendlich empfehle ich diesen Krimi dennoch an Leser, die sich daran nicht stören, und einen Mord in Nürnberg während des Zweiten Weltkriegs aufklären wollen.