Rezension

Uninspirierte Geschichte über eine fiktive Geheimgesellschaft in einem fiktiven Oxford College

Die Schule der Nacht - Ann A. McDonald

Die Schule der Nacht
von Ann A. McDonald

Ich weiß nicht so ganz, in welches Genre ich Die Schule der Nacht einordnen soll. In den ersten Kapiteln betont Cassandra 'Cassie' Blackwell immer mal wieder, dass sie viel älter als die Erstsemester ist (die Anfang 20 sind) und dass sie sich vorkommt, als würde sie mit Kindern zusammenleben. Dabei kommt mir Cassie selbst noch sehr jung vor. Die Geschichte liest sich, als seien die Figuren Schüler, die rein zufällig schon Alkohol trinken dürfen, nicht Studenten am Oxford College. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, ein Jugendbuch zu lesen, obwohl scheinbar großer Wert darauf gelegt wurde, dem Leser klar zu machen, dass die Figuren schon erwachsen sind. Auch die Covergestaltung spricht eher für einen Mysteryroman für Erwachsene. Ich hätte eine Warnung ganz schön gefunden, dass die Zielgruppe für diesen Roman doch eher jugendliche Leser sind.

"Den Blick starr auf denn schattigen Fleck der Außenwand des Auditoriums vor ihr gerichtet, versuchte sie, sich mit aller Macht von ihrem Ich zu lösen und, wieder einmal, mit bloßer Willenskraft aus ihrem Körper zu treten."
(Seite 174)

Protagonistin Cassie ist sehr launisch, eigentlich kann man sogar sagen, sie ist zickig. Was wieder ein Grund dafür ist, warum ich mir sie und die anderen als Teenager vorgestellt habe. Ständig ist ihre Stimme emotional aufgeladen, was die Autorin durch extrem viele Adverbien betont. Andauernd ist Cassies Stimme kühl, schneidend, eisig, knapp, scharf, fassunglos, ... Und das oft innerhalb weniger Seiten. Und wenn nicht beschrieben wird, wie Cassies Stimme klingt, dann 'feuert sie zurück', 'beißt die Zähne zusammen', 'speit jemandem etwas (Gesagtes) entgegen', 'zieht sich lachend aus der Affäre', ''erbost sich', 'erklärt sich einverstanden', 'faucht', 'versetzt ihm den Gandenstoß', 'schnaubt sie wütend', 'fährt ihn scharf an', 'schreit sie gellend in die leere Nacht', ' etc. Ein Sprachklischee nach dem anderen. Was muss man sich eigentlich vorstellen, wenn Cassie 'scharf aufsieht'? Ja, aufsieht, nicht aussieht, diese Formulierung wird recht häufig verwendet.
 
Bei den Dialogen gilt ganz eindeutig "weniger ist mehr", denn die Autorin hat es einfach übertrieben und die meisten Dialoge lesen sich leider sehr holprig und übertrieben theatralisch. Kein einziger gesagter Satz bleibt unkommentiert, nicht einmal so etwas wie "Ja" oder "Nein", als wäre der Leser zu blöd, bei einem Dialog zwischen zwei Personen auch ohne Begleitsätze zu erkennen, wer was sagt. Vieles hat auf mich lächerlich gewirkt, wie eine schlecht gemachte Parodie auf was auch immer.

Auch sonst mangelt es leider an sympathischen oder einfach nur dreidimensionalen Figuren. Da ist die geheimnisvolle, launische Cassie, über die wir Leser nicht viel wissen, obwohl sie die Protagonstin ist. Da ist die aufgedrehte, quirlige Evie. Die divenhafte, reiche Olivia. Der gutaussehende, mysteriöse Hugo. Der fiese Sebastian. Der nerdige, aber nette Elliot, der sympathische Charlie. Keine einzige Figur scheint mehr als eine Facette zu haben, sie sind flach, blass, eindimensional. Langweilig.

"Blindlings taumelte sie den Gang entlang und spürte gleichzeitig, wie die dunklen Klauen der Vergangenheit nach ihr griffen. Nein, sagte sie sich. Nicht jetzt, nicht hier. Sie hatte diese Dämonen zu lange in Schach gehalten, um ihnen jetzt zum Opfer zu fallen."
(Seite 227)

Und der Plot? Tja, also auf den ersten 250 Seiten passiert nicht viel. Cassie kommt nach Oxford (mit einem gefälschten Stipendium), will dort ihrer Spionage nachgehen (warum erfährt man erst so nach und nach), hat gleichzeitig ein paar Probleme, ihr Stipendium zu behalten (weil sie ja gar nicht zum Studieren in Oxoford ist, sondern um etwas herauszufinden), schließt halbherzige Freundschaften (halbherzig deshalb, weil sie ja nicht in Oxoford ist, um neue Leute kennen zu lernen), verguckt sich in den Falschen (aber mehr als vergucken ist es nicht, denn sie ist ja nicht wegen Männern nach Oxford gekommen) und irgendwie ganz am Rande geht es um eine Geheimgesellschaft, die sich Schule der Nacht nennt und irgendwie hat ihre verstorbene Mutter etwas damit zu tun und jemand begeht scheinbar Selbstmord, aber als schlauer Leser ahnt man sofort, dass da mehr dahinter steckt. Und ab Seite 300 kommen die Steine dann so langsam ins Rollen, bis sie sich auf den letzten paar Seiten plötzlich überschlagen.

Ihr seht also, es ist alles sehr vage, irgendwie wischiwaschi. Nicht direkt langweilig, aber auch nicht spannend. Ich lese mal hier zwanzig Seiten, mal da dreißig Seiten, aber wirklich gefesselt hat es mich nicht. Was mich wieder zu der Kritik führt, dass das Buch scheinbar selbst nicht weiß, was es sein will. Es geht um ein totes Mädchen in der Vergangenheit, um die Rolle, die Cassies Mutter bei diesem Tod gespielt hat, um einen Suizid in der Gegenwart und um eine uralte Geheimgesellschaft, die um jeden Preis geheim bleiben will, und auch ein bisschen um etwas Mystisches. Und irgendwie geht es trotzdem um nichts, jedenfalls um nichts Wichtiges. Tja, und dann endet die Geschichte in einem ziemlich wirren, blutigen Showdown mit vielen Toten (oder auch nicht, so genau, wird darauf nicht eingegangen) und einem klischeebehafteten Ende. Was soll Die Schule der Nacht jetzt sein? Fantasy? Dafür kommen die Fantasyelemente ein bisschen spät. Ein Jugendbuch? Dann wäre ein Hinweis schön gewesen. Ein Roman? Dafür verhalten sich die Figuren zu kindisch.

Die Schule der Nacht ist - wie ich finde - einfach eine uninspirierte Geschichte über eine fiktive Geheimgesellschaft in einem fiktiven Oxford College, die voller Klischees ist und die weder durch ihre Figuren noch ihre Handlung noch ihren Schreibstil überzeugen konnte.

(c) Books and Biscuit