Rezension

Untergang eines Dorfes

Ich bleibe hier - Marco Balzano

Ich bleibe hier
von Marco Balzano

Marco Balzano erzählt in seinem Roman „Ich bleibe hier“ anhand des Lebens der Lehrerin Trina, vom wechselvollen Schicksal der Bevölkerung des Südtiroler Ortes Graun während der Zeit des Faschismus und danach.
Trina, die mit ihrer Familie im Bergdorf Graun lebt, darf, als die Faschisten unter Mussolini an die Macht kommen, denen die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols ein Dorn im Auge ist, die deutsche Sprache nicht mehr unterrichten. So lehrt sie die Kinder heimlich weiter, in Kellern und Scheunen.

Durch die Bewohner Südtirols geht bald ein Riss. Es gibt diejenigen, die sich der Diktatur des Duce beugen, diejenigen, die ihre Sprache im Verborgenen erhalten, und diejenigen, die ab 1939 durch den Einfluss der Nazis „heim ins Reich“ nach Deutschland emigrieren.
Trina und ihr Mann Erich wehren sich, wollen die Heimat nicht verlassen und werden doch zu Flüchtigen.

In einer nüchternen, aber bildhaften Sprache schildert Balzano dieses beispielhafte Schicksal während der wechselhaften Historie Südtirols.
Die Tragödie der Flutung des Dorfes Graun, wegen eines Staudammprojektes in der Nachkriegszeit, bildet den traurigen Höhepunkt des Romans.

Trina ist die allgegenwärtige Erzählerin, die diese Geschichte rückblickend ihrer verschwundenen Tochter Marica erzählt. Und dieses Stilmittel Balzanos beinhaltet zugleich die größte Schwäche des Buches.
Versucht er doch, nicht nur Geschichte Südtirols in dieser bewegten Zeit zu erzählen, sondern auch das symptomatische und ganz persönliche Schicksal Trinas.
Über die Wucht der Historie geht jedoch das Persönliche verloren. So vermisste ich während der gesamten Lektüre eine Erläuterung des Geschehens um Marica, und zwar sowohl erzählerisch, als auch gefühlsmäßig.

Balzanos Prosa ist schnörkellos reduziert und trifft dennoch ins Herz (ist „Stattdessen waren Italienisch und Deutsch Mauern, die immer höher wurden. Die Sprachen waren zu Rassenmerkmalen geworden. Die Diktatoren hatten sie in Waffen und Kriegserklärungen verwandelt.“).
Umso mehr fragt man sich, warum gibt es so viele lose Enden im Aufbau und der Personenzeichnung, bei einem Schriftsteller, der seinen Job so vortrefflich versteht?

Trotz dieses Mankos gibt es eine Leseempfehlung und vier Sterne.