Rezension

Unterhaltend. Berührend. Originell.

Die verschwindende Hälfte - Brit Bennett

Die verschwindende Hälfte
von Brit Bennett

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Jahreshighlight aus der Unterhaltung. Das ist selten. Ich habe allerdings das engl. Hörbuch gehört und weiß nicht, ob die Übersetzung alles rüberbringt. Ein Blick in die deutsche Leseprobe ließ mich ein wenig aufseufzen. Alles richtig - aber bisschen unbeholfen, kam es mir vor. Das ist das Original nicht, im Gegenteil, oft elegant.

Die Vigneszwillinge, Desirée und Stella, leben bis zu ihrem vollendeten sechzehnten Lebensjahr in Mallard, Louisiana. Es ist ein sehr kleiner Ort mit nicht sehr vielen Leuten, einige sind weiß und reich, die anderen sind schwarz und vorrangig arm. Rassendünkel ist das vorherrschende Merkmal des Städtchens. Je weißer die schwarzen Menschen sind, desto höher ist ihr Prestige. Deshalb hat es sich eingebürgert, dass sie sich „weißschlafen“, dh. sich mit weißen Menschen verheiraten und fortpflanzen, so dass ihre Kinder weiß  und weißer werden. In Mallard wohnen eigentlich keine coloured people mehr, sie sehen aus wie Weiße, nur in ihrem Erbgut sind sie noch Schwarze. Doch da jeder von jedem alles weiß, reicht dies vollständig aus, dass jeder und jede seinen Platz in der Gesellschaft von vornherein zugewiesen bekommt. 

 

Die Autorin Brit Bennett hat mit dem Roman „Die verschwindende Hälfte“ einen wunderbar unterhaltsamen Roman mit Tiefgang geschrieben, wobei sie die Lebens-Wahl der beiden Vignesschwestern beschreibt. Die eine, die sieben Minuten ältere, Desirée, möchte Mallard verlassen, die andere zögert, aber schließlich ist es Stella, die ruhige, geheimnisvolle Stella, der der Ausbruch von den Platzanweisungen der Weißen wirklich und endgültig gelingt. Freilich zahlt sie dafür einen hohen Preis. 

 

Der Roman umfasst mehrere Generationen und meistert die erzählten Zeitspannen mit Leichtigkeit. Seine Sprache ist leicht, aber nie oberflächlich. Man vermisst vielleicht eine besondere Sprache, besondere Bilder, doch die Dialoge sind authentisch, die Charakterzeichungen originell und die Geschichte anrührend, ohne kitschig zu sein. Der Roman lebt von seinem originellen Inhalt. 

 

Es ist ein Roman über Rassismus anhand eines Einzelschicksals, ein Roman, der zwischen den Zeilen tief klagt, ohne je den Zeigefinger zu heben und anklagend zu sein. 

 

Fazit: „Die verschwindende Hälfte" ist ein Roman, der besonders ist. Besonders originell, besonders unterhaltend und besonders berührend. Die Autorin, von der ich auch bereits „Die Mütter“ las, hat noch einmal nachgelegt und zeigt allmählich, was in ihr steckt.

 

Für „Die verschwindende Hälfte“ gebe ich eine Leseempfehlung. (Ihr wisst, das mache ich nicht oft). 

 

Kategorie: Beste Unterhaltung
Verlag: Rowohlt, 2020

Kommentare

Emswashed kommentierte am 24. September 2020 um 07:57

Passt! Und das Cover? Ganz schön "farbig"!