Rezension

Unterhaltsam und lehrreich

Die Kommune der Faschisten - Kersten Knipp

Die Kommune der Faschisten
von Kersten Knipp

Bewertet mit 4 Sternen

Wikipedia: „Der Freistaat Fiume,…, war ein unabhängiger Freistaat um die heute als Rijeka zu Kroatien gehörende Stadt Fiume, der von 1920 bis 1924 bestand. Das Staatsgebiet umfasste die Stadt Fiume und das nördliche Umland sowie einen Korridor, der es mit Italien verband, insgesamt eine Fläche von 28 km².“

Das Entstehen und die Beschaffenheit dieses Freistaats kann man wohl als geschichtliches Kuriosum bezeichnen. Gegründet und geführt vom damals in Italien berühmten Dichter D’Annunzio, war Fiume vorübergehend ein Sammelbecken für Exoten, Individualisten und Aussteiger jeder Couleur, die ihn als eine Art Sektenführer verehrten und sich von einer etablierten Lebensweise distanzierten, womit sie „Faschismus“ im ursprünglichen Wortsinn auslebten. 

Dieses Buch beschäftigt sich zunächst ausführlich mit der Person D’Annunzios. 
Gabriele D’Annunzio war ein Dichter, Schriftsteller, Poet, Journalist und ein Poser, Manipulator, heute wäre er ein Influencer. Jemand, der das Rampenlicht liebt, charismatisch ist und es versteht sich in Szene zu setzen, Meinung macht und es genießt. Im jungen Italien hatte er dafür die ideale Bühne. 1861 frisch gegründet, suchte das neue Land zur Jahrhundertwende noch immer nach einer Leitlinie, die die unterschiedlichen Provinzen eint, die bis dato noch nicht einmal sprachlich eine Linie fuhren. 

Gemeinsam mit der neu gegründeten Nation macht auch D’Annunzio eine Wandlung durch vom konservativen Traumtänzer zum vorübergehenden Sozialisten und weiter zum Kriegstreiber, der aus ganz persönlichen Gründen den Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg befürwortete. Man kann ihm viel vorwerfen, mangelnde Flexibilität jedoch nicht. Böse Zungen behaupteten, er wäre ein Opportunist gewesen. 
Der italienische Kolonialminister Ferdinando Martini sagte zum Beispiel über ihn: „D’Annunzio denkt in erster Linie an sich und seinen Erfolg. Er hat keinen politischen und bisweilen - trotz seines wunderbaren Talents – nicht einmal gesunden Menschenverstand.“

Sehr schön setzt Kersten Knipp hier den Menschen D’Annunzio in seine Zeit und zeigt, wie es passieren konnte, dass er zu solch einem Einfluss gelangte. Auch die Sonderstellung der Stadt Fiume und die Situation in Italien vor und nach dem Ersten Weltkrieg wird gründlich beleuchtet. Der Autor versucht wirklich jeden Aspekt zu berücksichtigen, was einerseits hoch interessant ist, andererseits doch recht ausschweifend, aber gut, das Thema ist wahrhaftig einzigartig. 
Liebevoll gestaltet und mit vielen aussagekräftigen Fotos illustriert ist dieses Buch auch noch ein Augenschmaus. 

Fazit: Schön erzähltes Sachbuch zu einem kuriosen geschichtlichen Thema. Unterhaltsam und lehrreich.