Rezension

Unterhaltsame Krimilektüre über den ESC!

Anders ermittelt: Mord beim ESC - Thomas Mohr

Anders ermittelt: Mord beim ESC
von Thomas Mohr

Der seit 1956 jährlich ausgestrahlte europäische Musikwettbewerb „Eurovision Song Contest“, kurz ESC, gehört für mich persönlich zu den stetigen Jahreshighlights. Jedes Mal aufs Neue bin ich fasziniert davon, neue Künstler*innen kennenzulernen und sie auf dem Weg vom nationalen Finale bis hin zur großen Finalbühne zu begleiten.  Es ist eine Veranstaltung, bei der eigene Regeln gelten, hinter der eine große Community steht und in der das Besondere, Andersartige gefördert wird. Zusammen zelebriert man den Zusammenhalt eines großen Europas, wie er auch im echten Leben sein könnte. Als ich davon erfuhr, dass ein eigener Kriminalroman vor der Kulisse des ESC existiert, war mein Interesse selbstverständlich sofort geweckt. Ob Autor Thomas Mohr meine gespannte Erwartungshaltung einhalten konnte?

 

Die Euphorie des Autors für die musikalische Sendung kann man förmlich durch die Zeilen hindurch spüren. Indem er geschickt nationale Künstler*innen etabliert, die stimmig die Essenz der jährlichen Einreichungen aus den jeweiligen Teilnahmeländern aufgreifen, entwirft er einen fiktiven ESC mit dem Austragungsort Hamburg im Jahr 2018. Dabei ist die zentrale Ermittlerfigur nicht mit den Regeln des Wettbewerbs vertraut und muss erst in das Szenario eingeführt werden, sodass der Krimi auch für Leser*innen geeignet ist, die kein Vorwissen entgegenbringen. Der Schreibstil ist flüssig und einfach zu lesen, sodass man schnell den Zugang zum Roman finden kann.

Mohr macht sich den ungewöhnlichen Schauplatz zunutze, indem er seinem Publikum einen spannenden Blick hinter die Kulissen ermöglicht und von den konformen Elementen des Kriminalromans abweicht. Dabei ist der ESC und umher entstehende mediale Aufruhr zwar die Quelle der folgenden entsprießenden Handlung, gewinnt aber nicht zu sehr an Oberhand, als dass er thematisch das Buch dominieren würde. Der Autor verliert sich nicht in der detailgetreuen Darstellung, um in seinen Leser*innen ebenfalls die Begeisterung für die Show zu wecken, sondern beweist sich des Konstruierens eines unterhaltsamen Kriminalfalls fähig.

Die überschaubare Schar an Protagonisten erweist sich, dem allgemeinen Image des Grand Prix entsprechend, als auffällig schräg und eigen. Anders ist zwar ein taffer, junger Kommissar, der zugleich, seinem Namen alle Ehre bereitend, in vielerlei Hinsicht mit dem Üblichen bricht. Seine Ausarbeitung ist nur eingeschränkt gelungen, denn seine Motivationen sind nicht immer ganz schlüssig, seine eingeleiteten Handlungsschritte erscheinen teilweise unprofessionell und er bleibt ein bis zum Schluss recht eindimensionaler Charakter, der der Leser*in den Einblick in sein Innenleben bis zu einem gewissen Grad verwehrt. Der ihm als Watson-Figur zur Seite gestellte Laie Gunnar ist ein individueller und absurd überzeichneter Zeitgenosse, der die Rolle des enthusiastischen Fans einnimmt. Das ihm sofortig entgegengebrachte Vertrauen von Anders erschien mir unglaubwürdig; nichtsdestotrotz ergänzen sie sich zu einem ungleichen Team, das man vergleichbar in keinem weiteren Genrevertreter auffindet.

Der Fall mag zwar nicht vor nervenaufreibender Spannung trotzen, birgt aber einen unvorhersehbaren und unterhaltsamen Handlungsbogen, der in ein würdiges und das Potenzial des Szenarios ausschöpfendes Finale mündet. Insgesamt ist „Anders ermittelt“ also ein kurzweiliges Leseabenteuer, in dem sich der Autor den Traum von einem Kriminalroman über den ESC selbst erfüllt und man diese Begeisterung spüren und nachempfinden kann. Hinter dem wirklich furchtbaren und potenzielle Leseinteressent*innen eher abschreckenden Cover verbirgt sich eine amüsante Geschichte, die ich hiermit gerne weiterempfehle.

 

„Anders ermittelt: Mord beim ESC“ ist eine unterhaltsame Krimilektüre, deren Handlung überzeugend in das große Showevent als Szenario eingebettet ist, dabei aber nicht zu sehr im Vordergrund steht.

Daher vergebe ich gerne vier von fünf möglichen Sternen.