Rezension

Unterhaltsame und nachdenklich stimmende Geschichte

Morgens in unserem Königreich - Gernot Gricksch

Morgens in unserem Königreich
von Gernot Gricksch

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine unterhaltsame und nachdenklich stimmende Geschichte, die einen interessanten Einblick in die Lebensweise der Zeugen Jehovas gewährt.

Inhalt
Arne ist ein lebenslustiger Windhund, der mit seinem Leben ganz zufrieden ist. Er arbeitet in St.-Pauli in einer Imbissbude, hat eine Freundin und Pläne für ein eigenes Lokal. Doch von einem Moment auf den anderen verliert er alles und die Schläger eines Kredithais sind ihm auf den Fersen. Gerade als er nicht mehr weiter weiß tauchen zwei Zeugen Jehovas auf und er nutzt diese Begegnung um bei ihnen unterzutauchen, bis er weiß, wie es weitergehen soll. Doch Arne sorgt mit seiner unkonventionellen Art für einige Aufregung in der Gemeinde.

Meine Eindrücke
Nach dem Lesen des Klappentextes hatte ich mich auf eine lockere Komödie mit vielen lustigen Szenen und Situationskomik eingestellt. Doch das Buch ist so viel mehr. Ich hatte noch nie Kontakt mit den Zeugen Jehovas und wusste so gut wie nichts über ihre Ansichten und ihre Lebensweise. Hier bekam ich Einblick in ihre Welt, die mir anfangs noch freundlich vorkam, doch nach und nach wurde ich nachdenklicher und es wurde immer deutlicher worin die Nachteile und Kritikpunkte bestehen.

Arne lernt in der Gemeinde Johanna kennen, eine junge Frau, die dort aufgewachsen ist. Ihm fällt sofort auf, wie natürlich und echt sie wirkt im Vergleich zu den meisten Frauen, denen er bisher begegnet ist.
Anhand ihrer Geschichte erfährt man, wie schwer es ist als Kind oder Jugendlicher in dieser Gemeinschaft aufzuwachsen, oder wie wenig Rechte Frauen dort haben. Johanna ist intelligent, doch das darf sie nicht zeigen, weder früher in der Schule, noch heute in ihrem Alltag und je mehr sie mit Arne in Berührung kommt, umso mehr ist sie fasziniert von seinem freundlichen und weltoffenen Wesen. Und so wie Johanna viel zu wenig über die Welt jenseits der Gläubigkeit weiß, kann Arne wenig mit Spiritualität anfangen. Die beiden diskutieren immer häufiger über das Leben und seinen Sinn und es ist nicht immer nur Johanna, die von diesen Gesprächen profitiert.

Arne und seine Art zu leben wird nicht beschönigt. Irgendwie bekommt er nichts auf die Reihe, wozu auch sicher seine sorglose Art in den Tag hineinzuleben und seine Unzuverlässigkeit ihren Teil beitragen. Aber er hat das Herz auf dem richtigen Fleck, er ist hilfsbereit und freundlich, auch wenn ihm das nicht beim Lösen seiner Probleme hilft.

Seine Entscheidung bei den Zeugen Jehovas unterzutauchen geschieht aus reiner Not und mangels Alternativen. Dort lernt er einige freundliche und hilfsbereite Menschen kennen, allen voran Matthias, bei dem er wohnt und er erkennt dabei, wie leer sein bisheriges Leben war und dass er keine richtigen Freunde hat, auf die er im Notfall zählen kann. Aber nicht alle Zeugen Jehovas sind ihm gut gesinnt und er muss sich entscheiden, wie es mit ihm und seinem Leben weitergeht.

Der Schreibstil des Autors ließ sich angenehm lesen und er hat mich mit seiner Geschichte in eine mir fremde Welt entführt. Er beleuchtet diese Religion von verschiedenen Seiten und verweist am Ende auf die Internetseite zeugenjehovas-ausstieg.de, deren Betreiberin eine große Hilfe bei seiner Recherche war.
Mal war die Stimmung humorvoll, dann wieder nachdenklich oder auch traurig und dies so überzeugend, dass ich mitgefühlt, mitgelitten und zum Glück auch ab und zu geschmunzelt habe.