Rezension

Unterhaltsamer, aber nicht ganz runder Auftaktband

Das Reich der Schatten, Band 1: Her Wish So Dark
von Jennifer Benkau

„Her Wish So Dark“ hat alles in allem viele schöne, emotionale und mitreißende Momente. Mehr Tiefe hätte der Geschichte aber sicherlich gutgetan.

Inhalt

„Worin unterscheiden sich Wünsche von Ängsten? Beides beherrscht dein Herz, lässt es klopfen, macht, dass deine Gedanken darum kreisen. Beides macht es dir schwer, an etwas anderes zu denken. Erwartest du, dass der Lord einen Unterschied erkennt, wenn dein eigenes Herz keinen macht?“ 

JENNIFER BENKAU, S. 163 F.

Nicht mehr als seinen Namen braucht es, um den Herren der Schatten in den eigenen Dienst zu zwingen und ihn jene, in sein Reich entführen zu lassen, die einem übel mitspielen. Als Laire von der Verfluchung ihres Verlobten Desmond erfahrt, fasst sie den Entschluss, selbst vor den gefürchteten Daemalord zu treten. Denn diejenigen, die mit Liebe im Herzen um das Leben eines Verfluchten bitten, haben auf ihrer Reise in das Land, in dem die dunkelsten Wünsche wahr werden, mehr Erfolg als die stärksten Krieger. Doch die einzige Chance auf Desmonds Rettung, erfordert ausgerechnet die Hilfe des Menschen, der Laire weitaus mehr als ihr Herz gestohlen und zerrissen hat.

Meine Meinung

Der Auftaktband von Jennifer Benkaus „Das Reich der Schatten“ Dilogie nimmt ihre Leser erneut mit in die Welt von „One True Queen“. Nur diesmal spielt das Abenteuer nicht in Lyaskye, sondern im Fürstentum Nemija und dem sagenumwobenen Reich der Deama, einem Land voller ungezügelter Magie und düsterer Wünsche. Ich habe in die Geschichte auf gut hineingefunden, weil die vielen Fragen, die die Perspektivwechsel bereits in den ersten Kapiteln hervorrufen, sofort meine Neugier geweckt haben. Die Handlung wird zwar aus drei verschiedenen Sichtweisen erzählt, legt den Fokus allerdings deutlich auf die Protagonistin Laire. Man kann durch die Ich-Perspektive tief in ihre Gedanken eintauchen und sich gemeinsam mit ihr auf eine herausfordernde Reise ins Ungewisse begeben. Am Anfang hat mich gewundert, dass sie sehr distanziert und nüchtern wirkt, aber ihr Innenleben hat sich nach und nach offenbart. Besonders die Rückblenden in die Vergangenheit haben mir geholfen, Laires Entscheidungen und ihre Beziehungen besser zu verstehen. Richtig sympathisch wurde sie mir aber erst, als sie wieder auf Alaric trifft. Denn vor ihm brechen endlich Emotionen aus ihr heraus und sie wirft ihm erstmal einen bissigen Kommentar nach dem nächsten an den Kopf. Spätestens da hat sich auch meine Befürchtung gelegt, dass sich hier eine Dreiecksgeschichte anbahnt. Spannend und kompliziert bleibt es trotzdem. Es ist mal etwas anderes, wenn die Protagonisten schon eine gemeinsame Vergangenheit haben und nicht erst auf ihrem Abenteuer Gefühle füreinander entwickeln. Das, was Alaric und Laire füreinander empfinden, wirkt zu jeder Zeit glaubhaft und nachvollziehbar. 

Zu Alaric und Desmond behält man durch die personale Erzählperspektive noch eine gewisse Distanz. Dennoch haben mir Alarics Kapitel besonders gut gefallen, weil seine Vergangenheit, die sein Leben immer noch bestimmt, erschreckend und spannend zugleich ist. Desmonds Kapitel konnten mich hingegen gar nicht überzeugen. Sie geben Einblick in die Pläne des Daemalords, aber leider bleiben beide viel zu blass, um Interesse zu wecken. Das trifft leider auch auf die Nebencharaktere zu, die Laire auf ihrer Reise begleiten oder im Daemareich begegnen. Laires Freunde Vika und Jero tragen auf der gemeinsamen Suche zwar zu Unterhaltung bei, aber zu mehr eben auch nicht. Obwohl der Paladin Jero extra dafür ausgebildet wurde, Suchende ins Reich der Schatten zu führen, ist seine Hilfe eigentlich nie von Nöten. Es tauchen zwar immer wieder abwechslungsreiche Hindernisse auf, aber wirklich Sorgen habe ich mir um Laire und ihre Freunde nie gemacht. Deswegen hält sich auch mein Schock über das Ende in Grenzen.

Die Kultur und Mythen Nemijas werden ausführlich beschrieben, das Daemareich ist einzigartig und fazinierend, aber leider konnte mich auch das Worldbuilding nicht vollkommen überzeugen. Die ganze Grundidee der Geschichte, die Möglichkeit, jemanden durch eine Verfluchung ins Reich der Daema zu verbannen, wirkt für mich nicht ganz zu Ende gedacht. Es wird zwar hervorgehoben, dass nicht jeder die nötigen Kenntnisse besitzt, jemanden mit einem Daemafluch zu belegen, aber gleichzeitig scheint er auch nicht selten und nicht immer zu Recht ausgesprochen zu werden. Je mehr ich über Nemija erfahren habe, desto mehr habe ich mich gefragt, wie solche Strukturen möglich sind. Wie kann beispielsweise ein Fürst magiebegabte Menschen brutal zu Tode verurteilen, ohne jemals einen Verfluchung zu fürchten? Wie kann er seine Regentschaft so überhaupt vor Gegnern sichern? Über die ungezähmte Magie, die Entscheidungen der Magierin und die Entstehung des Daemareichs hätte ich gerne noch etwas mehr erfahren. Vielleicht sind das aber auch Aspekte, die erst im Folgeband vertieft werden.

Das Ende ist spannungsgeladen, voller überraschender Wendungen und macht definitiv neugierig auf mehr. So viel wie offen gelassen wird, muss ich Band 2 einfach eine Chance geben. Vielleicht werden ja auch dann noch ein paar Ungereimtheiten ausgeräumt. „Her Wish So Dark“ hat alles in allem viele schöne, emotionale und mitreißende Momente, deswegen kann ich das Buch auch jedem Romantasy Fan empfehlen. Etwas mehr Tiefe hätte der Geschichte aber gutgetan.