Rezension

Unterhaltsamer, brillant recherchierter Roman mit Tiefgang

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm -

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 5 Sternen

Was für eine fleißige Autorin, die nach den Büchern über die Charité nun den ersten Band einer neuen Trilogie vorlegt, wiederum brillant bis in die letzten Feinheiten recherchiert. Wirklich beeindruckend!

 

Wir befinden uns im Jahr 1920. Das Jahrhundertbauwerk Bahnhof Friedrichstraße ist im Roman eigentlich nur ein Aufhänger, ein Symbol für den Weg Berlins zur Weltstadt. Sehr viel mehr geht es um drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, um ihre individuellen Lebenswege, die den sehr spannenden Spagat zwischen moderner, selbstbestimmter Frau und angepasster traditioneller Frauenrolle verkörpern, um die nahezu unüberbrückbare Kluft zwischen Arm und Reich zu zeichnen. Luise ist Sekretärin bei der Sittenpolizei. Sie hat ihre große Liebe Johannes im Krieg verloren, er ist verschollen. Der junge Architekt Robert bekommt den Auftrag, am Neubau des Bahnhofs Friedrichstraße und an der Planung der ersten U-Bahn Berlins mitzuarbeiten. Er heiratet Luise und stürzt sich in die Arbeit. Ilse, die Schwester von Johannes, ist Künstlerin durch und durch. Sie liebt Frauen, sie liebt Tanz und Gesang und sie hat ein besonderes Händchen, wunderbare Kleider zu entwerfen. Ella lebt im Hinterhaus, ist wenig gebildet, arbeitet als Verkäuferin. Im Verlauf der Jahre erleben wir mit, wie die politischen Veränderungen ihren  Tribut fordern, wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Judenhass und die wachsende Macht der Braunhemden das Leben aller verändert.

 

Ulrike Schweikert schreibt wie gewohnt fesselnd und detailreich. Man ist sehr schnell gefangen in den Geschehnissen rund um Luise, Ilse und Ella. Dank der bildhaften, eindrücklichen Beschreibungen fühlt man sich den Personen und ihren Erlebnissen sehr nahe. Großartig, wie es der Autorin gelingt, so vielen Berühmtheiten dieser Zeit ein Plätzchen im Roman einzuräumen. Ganz unspektakulär in die Handlung eingestreut richtet sie den Blick auf diese Persönlichkeiten, die mir dank meines fortgeschrittenen Alters allesamt auch noch ein Begriff waren. Welch eine interessante Zeit, in der man solch besonderen Menschen begegnen konnte. Ulrike Schweikert hat diese intellektuell und künstlerisch besondere Zeit gekonnt und ohne unnützen Ballast sehr fein dargestellt. Auf ebenso bewundernswerte Weise ist es der Autorin gelungen, in ausgewogenem Maß die einschneidenden politischen Bewegungen in den Jahren 1920 bis 1933 in ihren folgenschweren Zusammenhängen darzustellen und deutlich zu machen, auf welchem Nährboden rechtes Gedankengut wachsen kann. Genau dadurch hebt sich der Roman weit heraus aus der Masse der reinen Unterhaltungsromane.

 

Fazit: Ein unterhaltsam-fesselnd zu lesender Roman, mit historisch fundiertem Tiefgang