Rezension

Unterhaltsamer, humorvoller und spannender Krimi - trotz mancher Länge

Arrowood - Die Mördergrube - Mick Finlay

Arrowood - Die Mördergrube
von Mick Finlay

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Mit „Arrowood – Die Mördergrube“ erschien kürzlich der zweite Band in der Reihe historischer Krimis des britischen Schriftstellers Mick Finley. Wieder begleiten wir im viktorianischen London des Jahres 1896 seinen Protagonisten William Arrowood, den leider nur zweitbesten Privatdetektiv nach Sherlock Holmes, und seinen Assistenten Norman Barnett „In den Gassen von London“ (2018), wie schon der erste Band hieß, bei der Aufklärung eines überaus mysteriösen Kriminalfalles.

Der Reiz dieser Reihe ergibt sich einerseits aus dem seelischen Konflikt Arrowoods mit dem in der Londoner Öffentlichkeit gefeierten Holmes. Während der „beste Privatdetektiv der Welt“ als aristokratisch wirkende Erscheinung in seinem luxuriösen Apartment in der Baker Street wohnt und dank seines eloquenten Intellekts beim virtuosen Geigenspiel die schwierigsten Fälle löst, muss der fettleibige Arrowood mit seiner Schwester Ettie in einer Arbeitersiedlung zur Untermiete wohnen. Verdient Holmes beim Auffinden eines vermissten Adelssprosses in nur zwei Tagen 6 000 Pfund, muss sich Arrowood mit 20 Shilling pro Tag begnügen, nicht selten dafür auch noch verprügeln lassen. Dabei fühlt er sich nach Lektüre einiger Bände psychologischer und medizinischer Fachliteratur dem berühmten Holmes intellektuell durchaus ebenbürtig, und jede Lobeshymne auf Holmes in den Zeitungen lässt den gefühlsbetonten Arrowood vor Zorn erzittern.

Im zweiten Band der Krimireihe wird dieser „zweitbeste Privatdetektiv“ vom Ehepaar Barclay beauftragt, ihre geistesschwache Tochter Birdie zu kontaktieren, die seit sechs Monaten auf einem Bauernhof außerhalb Londons verheiratet ist. Jeglicher Kontaktversuch mit der Tochter war den Barclays von der Farmerfamilie bisher verweigert worden. Arrowoods Assistent Norman Barnett, der uns vergleichbar zu Holmes' Assistent Dr. Watson an der Ermittlungsarbeit und den Missgeschicken seines Arbeitgebers teilhaben lässt, erzählt nun, wie Arrowood in strapaziösen Schritten üblen Machenschaften und einem Korruptionsfall auf die Schliche kommt, dabei aber, von Gefühlen allzu sehr geleitet und in seinen Maßnahmen oft recht tolpatschig, von einer Katastrophe in die nächste stolpert. Am Ende kommt es natürlich wie immer: Nicht Arrowood und Barnett werden in den Zeitungen als Helden gefeiert, sondern die Londoner Polizei und andere Profiteure.

Ein anderer Reiz auch dieses Romans liegt in der detaillierten Schilderung der damaligen Lebenssituation des Londoner Proletariats: Unrat auf Straßen und in Häusern, von Krankheiten gezeichnete Menschen, Saufgelage und Prügeleien bestimmen das Bild des Alltags. Hauptthema dieses zweiten Bandes ist der Umgang der damaligen Gesellschaft mit Schwachsinnigen und Menschen mit Downsyndrom, damals noch Mongoloide genannt, und der erbarmungslose und unwürdige Zustand in Armenhäusern und Nervenheilanstalten, die damals noch als Irrenhäuser bezeichnet wurden.

Der stark übergewichtige, verfressene und versoffene Privatdetektiv William Arrowood ist nicht nur als Privatermittler, sondern auch als Mensch gewiss nicht perfekt, was auch sein Assistent und Leibwächter Barnett oft zu spüren bekommt. Doch trotz allem lässt ihn Autor Mick Finley, hauptberuflich Psychologe und Universitätsdozent, auf uns durchaus sympathisch wirken: Wir freuen uns über die seltenen Erfolge des Privatdetektivs, leiden aber umso öfter bei Arrowoods Misserfolgen.

„Arrowood – Die Mördergrube“ ist wie schon der erste Band wieder ein recht unterhaltsamer und in seiner Art auch spannender Krimi. Doch stellenweise schwächelt der Roman wegen mancher Länge oder unnötig überzogener Situationsbeschreibung. Die 430 Seiten des Taschenbuches hätte der Autor gern auf 350 Seiten straffen können - zugunsten der Spannung und des Humors. Dennoch dürfte auch dieser viktorianische Krimi allen Freunden des Genres erneut Freude machen. Auf einen dritten Band müssen deutsche Leser leider noch lange warten: „Arrowood and the Thames Corpses“ ist in englischsprachiger Originalausgabe erst für Frühsommer 2020 angekündigt.