Rezension

Unterhaltsames Porträt einer aristokratischen Familie

Das Haus am Alsterufer - Micaela Jary

Das Haus am Alsterufer
von Micaela Jary

Bewertet mit 4 Sternen

Ab und zu gibt es Geschichten, in die man so richtig schön abtauchen kann. Eine andere Zeit, ein anderer Ort, raschelnde Kleider, scheue Dienstmädchen, wohlerzogene Kavaliere… Genau so ein Buch ist „Das Haus am Alsterufer“. Es versetzt den Leser in die Jahre vor und während des ersten Weltkrieges und spannt den Bogen vom hanseatischen Hamburg bis ins sonnenverwöhnte Tessin.

Nachgezeichnet werden die Lebenswege der drei Töchter des Hauses – Ellinor, Helene (Nele) und Lavinia (Livi). Während Ellinor eine vernünftig-strebsame junge Frau ist mit großem Herz für die Armen dieser Welt, ist Nele die vergeistigte junge Künstlerin, die sich gegen die Konventionen zur Wehr setzt und zum Kunststudium in München weilt. Lavinia ist das Küken der Familie – ein verwöhntes Nesthäkchen, die gewöhnt ist immer alles zu bekommen – und sei es ein Mann, den sie eigentlich gar nicht liebt. Dass Nele in diesem Mann ihren Seelenverwandten gefunden hat, ahnt sie nicht – und so nehmen die Verwicklungen und zum Teil tragischen Schicksale ihren Lauf…

Daneben ist da noch Klara, die als Dienstmädchen bei den Dornhains aufgenommen wird und nicht ahnt, dass ihr Arbeitgeber ihr Vater ist.

Das Buch hat ziemlich alles, was gute Unterhaltungsliteratur ausmacht: gut gezeichnete, sehr unterschiedliche Charaktere, Irrungen und Wendungen, einen zeitgeschichtlichen Hintergrund und ein paar nette Zusatzinformationen für die Allgemeinbildung – zum Beispiel über Frauenrechtlerinnen im frühen 20. Jahrhundert oder den Münchener Künstlerkreis „Blauer Reiter“.

Hätte ich das Buch gelesen ohne Klappentext und Beschreibung zu kennen, hätte ich vielleicht sogar 5 Sterne vergeben. Aber mich hat gestört, dass die Erwartungen, die der Klappentext geweckt hat, nicht ganz erfüllt wurden. So nahm Klaras Suche nach ihrer Mutter nur wenig Raum im Buch ein (da hätte ich mir mehr gewünscht) und die Ankündigung „In der Tragödie des Krieges findet Lavinia ihre wahre Bestimmung“ stimmt meines Erachtens so nicht (um nicht zuviel über die Handlung oder den Ausgang des Buches zu verraten, will ich das aber nicht näher beschreiben). Das soll nur darstellen, warum ich trotz eines mitreißenden und trotzdem wunderbar entspannten Leseerlebnisses „nur“ 4 Sterne vergeben habe.

Lesenswert finde ich das Buch aber auf jeden Fall und das Cover gibt meines Erachtens die Stimmung des Romans sehr schön wieder.