Unterhaltung auf hohem Niveau
Bewertet mit 4.5 Sternen
Von Gina Meyer habe ich bereits mit großer Begeisterung fast alle ihrer historischen Romane gelesen.. Da es sich bei "Die Protestantin" um ein früheres Werk handelt, war ich entsprechend skeptisch, ob es mir genauso gut gefallen würde wie ihre späteren Romane oder ob es deutliche Anfangsschwächen aufweisen würde.
Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen; auch "Die Protestantin" hat meine Erwartungen übertroffen, mich mitten in vergangene Zeiten katapultiert und mich glänzend unterhalten.
Neben Johanne kommen in der chronologisch ablaufenden, aber aus drei verschiedenen Perspektiven erzählten Geschichte Johannes jüngste Schwester Catherine und Johannes Pflegetochter Magdalena zu Wort.
Gina Meyer hat hier drei sympathische, starke Protagonistinnen geschaffen, die sich jede auf ihre Art gegen die Einschränkungen ihrer Zeit auflehnen und sich ihre persönlichen Freiheiten erkämpfen. Wie es der (ansonsten nichtssagende) Titel suggeriert, spielt der Glaube in allen möglichen Ausrichtungen hier eine große Rolle:
Neben dem religiösen Eiferer Fliedner haben wir den angehenden Pastor Gustav Winkels, der angesichts des Elendes um ihn herum an seinem Glauben zweifelt und schließlich Kommunist wird, die Jüdin Esther, die von ihrer strenggläubigen Familie verstoßen wurde sowie Johanne, Catherine und Magdalena, die sich ebenfalls im Spannungsfeld aus Glauben an Gott und Zweifel an der bestehenden Weltordnung bewegen.
Gina Mayer gelingt es nicht nur, jenseits der gängigen Klischees lebendige Menschen mit Ecken und Kanten zu erschaffen, sondern den Leser mit hineinzuziehen in die damaligen Lebensverhältnisse und ihn die Armut und Ausweglosigkeit einer breiten Gesellschaftsschicht vor Augen zu führen, die sich langsam dagegen auflehnen, dass ihre elende Lage angeblich gottgewollt sein soll.
Ein wenig schade fand ich es, dass sich aufgrund der chronologischen Erzählweise kein "Geheimnis" entwickeln kann.
Den Vorspann des Buches bildet ein Brief, den Magdalena an ihre Freundin Esther schreibt und in dem sie schwer an der Tatsache trägt, dass Johanne ihr etwas in Bezug auf die eigene Vergangenheit verheimlicht hat. Im Lauf der Handlung lernt der Leser schnell, wie die drei Protagonistinnen miteinander verbunden sind, so dass es - im Gegensatz zu anderen Büchern Gina Mayers - hier wenig Gelegenheit zum Miträtseln gibt. Aber das ist nur ein ganz kleiner Schwachpunkt für mich in einem ansonsten rundum gelungenen historischen Roman.
Weniger gelungen fand ich den Klappentext, der meiner Meinung nach ein verzerrtes und unnötig dramatisiertes Bild der Handlung liefert. Aber dafür kann ja die Autorin nichts.