Rezension

Unterkühlte Spannung

DNA - Yrsa Sigurdardóttir

DNA
von Yrsa Sigurdardottir

Bewertet mit 5 Sternen

Obwohl ich skandinavische Krimis sehr mag und schon viele gelesen habe, war das mein erster isländischer Krimi. Die Atmosphäre ist besonders und man merkt, dass Polizeiarbeit dort etwas anders abläuft als in anderen Ländern. Als Insel und mit der Einwohnerzahl einer kleineren Großstadt sind Morde, und vor allem Serienmorde, selten.

Verbrechen bestehen hier eher aus betrunkenen Schlägereien oder aber "White-collar crime". Das sieht man in diesem Fall besonders daran, dass Kommissar Huldar die Leitung übernimmt, obwohl er noch nie einen Mordfall geleitet hat. Doch seine Vorgesetzten befürchten, dass der Fall in die Schlagzeilen geraten könnte, aus denen seine ranghöheren Kollegen gerade wegen eines Skandals lieber rausgehalten werden sollten. Also springt Huldar ins kalte Wasser und muss zeigen, was er kann.

Als kleines Land, in dem sich der Großteil des Lebens in Reykjavik abspielt, kennen sich natürlich viele Leute in der Hauptstadt untereinander. Auch das wird Huldar zum Verhängnis. Beim ersten Verhör der 7-jährigen Zeugin ist die Psychologin Freyja dabei – und Huldar erkennt in ihr die Frau, die er vor kurzem in einer Kneipe kennengelernt hat und aus deren Wohnung er sich dann am nächsten Morgen weggeschlichen hat…

Zwei Frauen werden auf relativ einfache, gleichzeitig aber äußerst brutale Weise ermordet. Nur die Tötungsart und jeweils eine kryptische Nachricht am Tatort weisen darauf hin, dass es sich um den gleichen Täter handelt, denn die beiden Frauen hatten anscheinend nichts miteinander zu tun. Gleichzeitig bekommt ein junger, kontaktscheuer Amateurfunker merkwürdige Nachrichten und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was sie bedeuten könnten. Auch die Polizei versucht, die verschlüsselten Nachrichten, die der Täter hinterlässt, zu entschlüsseln und irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, was die beiden Opfer verbinden könnte.

Die kleine Margret, die Zeugin des Mordes an ihrer Mutter war, scheint der Schlüssel zur Lösung des Problems zu sein, aber Huldar muss lernen, dass Kinder zu vernehmen nicht dasselbe ist wie Erwachsene zu vernehmen. Und da kommt Freyja ins Spiel. Ihr ist – im Gegensatz zu Huldar – Margrets Wohl wichtiger als der Fall, und obwohl die beiden nie direkt über ihre verhängnisvolle gemeinsame Nacht sprechen, steht sie doch bei jedem Zusammentreffen der beiden unausgesprochen im Raum.

Da sowohl Huldar als auch sein Team relativ unerfahren in Mordermittlungen sind, tasten sie sich langsam an den Fall heran. Das wird sehr gut beschrieben und als Leser ist man mitten drin in den Ermittlungen. Die Autorin liebt Cliffhanger am Ende von Kapiteln, wenn sie am spannendsten Punkt aufhört, um sich dann in den nächsten Kapiteln mit den anderen Handlungssträngen zu beschäftigen. Das Buch ist sehr spannend, aber die Spannung ist eher unterschwellig. Obwohl die Morde grausam sind, kommt das Buch ohne Effekthascherei aus. Die Ermittlungen, Huldar und sein Team und alle zwischenmenschlichen Beziehungen sind einfühlsam beschrieben.

Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen und ich freue mich auf den nächsten Band, um zu sehen, wie es mit Freyja und Huldar weitergeht. Aber ich bin auch gespannt, was sich die Autorin als nächstes einfallen lässt. Mit dem ersten Band dieser neuen Reihe hat sie die Messlatte sehr hoch gelegt!