Rezension

unverhofft und sehr, sehr spannend

The Hurting - Lucy van Smit

The Hurting
von Lucy van Smit

Bewertet mit 5 Sternen

Als ich das Buch zum ersten Mal in der Hand hatte, war ich einerseits verliebt, denn dieses Cover und dieses „Nordic Noir“ haben mich schon recht neugierig werden lassen. Andererseits hatte ich ein bisschen Bammel vor der „Liebe auf den ersten Blick“ und hatte gehofft, dass dieser Teil nicht zu groß sein wird und so die Spannung vielleicht leidet.
Effektiv wurde es für mich zu einer gelungenen Mischung von allem und vor allem der Liebesaspekt war dann so ganz anders als erwartet. Aber fangen wir doch von vorne an…
Schreibstil tiptop, flüssig, angenehm und sehr eingängig, da gibt es nichts zu mäkeln.
Das Umfeld von Nell ist dann jedoch ein ganz anderes Kaliber! Aufgewachsen ohne Mutter, kümmert sie sich um ihre krebskranke Schwester und ihren Vater, der Alkoholiker ist. Da fing das Problem dann an. Man ist beim Lesen derart zwischen Mitleid und -Entschuldigung- Hass hin- und hergerissen, dass es einen schwer zum Nachdenken bringt. Mitleid mit Nell, die effektiv nur eine aktuelle Form eines Aschenputtels ist, ungeliebt, gedemütigt und von ihrer kranken Schwester verraten und gepiesackt! Ich muss ehrlich gestehen, dass schwer kranke Charaktere in Büchern, die sich verhalten wie egoistische PIIIIEEEEEP, mir einfach immer wieder zusetzen. Ich meine, klar haben Menschen mit Schmerzen vermutlich jedes Recht sich zu verändern und auch unzufrieden oder unglücklich zu sein, ich kann das sehr gut nachvollziehen! Das hat vermutlich auch fast jeder von uns schonmal erlebt, ob am eigenen Körper oder im Bekanntenkreis. Aber was Harper da mit Nell veranstaltet und noch getoppt wird von ihrem gemeinsamen Vater, MANN, da musste ich manchmal dann doch erstmal ruhig bis 10 zählen…
Und dann kommt Lukas. Lukas, der ihr zum ersten Mal im Leben etwas anderes als Verachtung entgegenbringt. Natürlich ist es leicht jemanden „gefügig“ zu machen, wenn man ihn mit Liebe und Emotionen füttert, die er bis dahin nicht erleben durfte. Deshalb kann man als Leser vermutlich auch gut mit der ein oder anderen Szene leben, in der mein Kopf sagen möchte: „ach nee, DAS würde man jetzt aber nicht mitmachen“ und sich dann aber umentscheidet, da man bei einem emotional ausgehungertem Menschen einfach ganz andere Maßstäbe ansetzen muss. Da bekommt das Sprichwort „Liebe macht blind“ nochmal eine ganz andere Bedeutung, als es das bei einem „normalen“ Menschen bereits tut.,

Ihr seht, rein von diesem Standpunkt aus, handelt es sich in meinen Augen um ein hochbrisantes Thema, das viel Spiel zum Nachdenken und eigene Interpretation lässt. Was ist Liebe, was einfach nur noch destruktiv?
Nells Geschichte handelt in einem solchen Umfeld und wird dann noch getoppt von einem Gefallen, den sie Lukas tut und der sie letzten Endes in einen Überlebenskampf geraten lässt, der mich sehr fesseln konnte. Manipulation, Intrigen und gestörte Persönlichkeiten inklusive, ihr dürft gespannt sein!

Mir persönlich hat „The Hurting“ sehr gut gefallen, auch, wenn es vermutlich anders ist, als die meisten von euch erwarten. Die Entwicklung die die Geschichte durchmacht und die dadurch enthaltenen Wendungen sind oft unverhofft und sehr, sehr spannend.