Rezension

Urlaub für die Seele

Das Lavendelzimmer - Nina George

Das Lavendelzimmer
von Nina George

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch ist Medizin. Wer es in entsprechender Dosis zu sich nimmt, wird es – wie ich – mit einem wohligen Lächeln zuschlagen und mit Hingabe noch eine Weile davon zehren können. Doch Vorsicht, es hat auch Nebenwirkungen: es könnte sein, dass hier oder da mal ein paar Tränchen fließen …

Auf jeden Fall passt es hervorragend in Jean Perdus literarische Apotheke. Die ist zu Beginn noch in Paris fest verankert, da sie sich auf einem alten Frachtkahn befindet. Liebevoll bestückt von dem todtraurigen Besitzer, der von seiner Geliebten verlassen wurde. Das Zimmer, in dem er sie geliebt hat, ist seit zwanzig Jahren mit einem Buchregal zugemauert. Er hat sich dem einfachen Leben hingegeben und besitzt nur noch die allernötigsten Dinge. Als die neue Nachbarin noch weniger Einrichtungsgegenstände hat, holt er aus dem verschlossenen Zimmer einen weiß gestrichenen Küchentisch. In dessen Schublade findet die neue Besitzerin einen Brief, der Jean Perdus Leben verändern wird.

Als Leser dürfen wir den Buchapotheker durch halb Frankreich begleiten. Gemäß seiner Einstellung, dass sich Buchhändler nicht um Bücher, sondern um Menschen kümmern, hat er gelernt: „Schweigend zuzuhören war die Basis für die Grundvermessung der Seele.“

Während des Lesens entstand bei mir der Wunsch, auch einmal per Boot Frankreich zu erkunden. Landschaften, Düfte und Töne sind so liebevoll beschrieben - aber auch diverse Schwierigkeiten, die so eine Flussreise mit sich bringen kann, werden nicht verheimlicht und humorvoll überspitzt dargestellt.

Nach und nach füllt sich die schwimmende Bücherapotheke mit den wunderlichsten Mitreisenden. Außer dem jungen Max, der nach seinem ersten, hochgejubelten Roman eine unüberwindliche Schreibhemmung durchlebt und am liebsten unsichtbar wäre, begleiten Jean auch ein Koch auf der Suche nach seiner großen Liebe und Samy, die nicht lügen kann und meint: „Ich bin der Typ, der sich in die Pfanne legen muss, um über Bratkartoffeln zu sprechen.“

Das Buch strotzt geradezu von eingängigen Zitaten, wie zum Beispiel auf Seite 165: „ Es müsste Pflicht sein, dass die Regierenden der Welt Bücherführerscheine machen. Erst wenn sie fünf-, nein, besser zehntausend Bücher gelesen haben, sind sie annähernd in der Lage, die Menschheit und ihre Verhaltensweise zu verstehen.“

Wer dann nach über 360 Seiten so richtig in Frankreich angekommen ist, kann sich die provenzialische Küche nach Hause holen und die aufgeführten Rezepte nachkochen. Wem da nicht das Wasser im Mund zusammenläuft, bekommt die Möglichkeit, sich in der Literatur Anregungen für die Heilung der eigenen Seele zu holen.