Rezension

Utopia für Utopisten

Der Circle
von Dave Eggers

Die junge Mae Holland ist überglücklich einen Job im Circle, einem Internetkonzern, bekommen zu haben. Annie eine Freundin aus Studentenjahren, arbeitet bereits in dieser Firma und sie ist ihr großes Vorbild. Jeden Abend gibt es eine andere Veranstaltung in dem weitläufigen Firmengelände: eine Party oder einprominenter Sänger singt für Lau für die Circelmitarbeiter. Das Essen kostet auch nichts; Spitzengastronomie von Spitzenköchen und das noch dazu tagtäglich; und als führender Internetkonzern, sind selbst Produkte des alltäglichen Bedarfs jederzeit konsumierbar, ohne sie jedoch bezahlen zu müssen. Der Circle ist nicht nur deswegen der führende Internetkonzern, weil er so viele andere Firmen geschluckt hat und seinen Mitarbeitern einen wunderbaren Arbeitsplatz beschert, sondern weil er mit TrueYou etwas Entscheidendes möglich gemacht hat: Die Anonymität im Netz gibt es nicht mehr. Niemand kann sich hinter einer falschen Identität verstecken und die Kriminalität im Netz ist auf null gesunken. Mae versucht ständig sich an die neue Arbeitswelt anzupassen, was ihr nicht immer gleich gut von der Hand geht. Als sie eines Tages auf den mysteriösen Kalden aufmerksam wird, bringt der ihr Leben gehörig durcheinander.

Der Circle von Dave Eggers ist eine wirklich sehr spannende und außergewöhnliche Geschichte, die mich vom Aufbau und der Struktur her, sehr wohl an Aldous Houxleys „Schöne neue Welt“ erinnert hat. Erzählt wird aus der Sicht der Mae Holland, und es ist nicht das Jahr 632 nach Ford, sondern eigentlich die Gegenwart, oder besser gesagt: „Eine sehr, sehr nahen Zukunft.“ Meiner Meinung nach, hinkt aber im direkten Vergleich „Der Circle“ hinter „Schöne neue Welt“ ein wenig her. Denn Houxleys Werk ist bereits vor 90 Jahren das erste Mal erschienen und behandelt gegenwärtige Probleme was, wenn man die lange Zeitspanne berücksichtigt, schon sehr bemerkenswert ist; Dave Eggers hingegen, schließt von einem gegenwärtigen Ausgangspunkt auf eine nahe Zukunft. Daher wäre ich ja neugierig, wie man in 90 Jahren auf - Der Circle - zurückblickt, allerdings werde ich das wahrscheinlich nicht mehr erleben. 

Eindeutig stehen im Vordergrund die Erfahrungen die Mae im Circle macht, und die ganz besonderen und neue Innovationen, an denen sie direkt und indirekt mitwirkt, die unter anderem den Versuch innehaben, den Menschen bis zur Perfektion gläsern zu kreieren. In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz aus diesem Buch einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen: „Wer könnte Utopia bauen, wenn nicht Utopisten?“ Das Schockierende ist aber in diesem Roman das unbedarfte und kindliches Verhalten der Protagonisten, dass manchmal wirklich etwas zu enervierend war und die daraus erfolgende anstößig anmutende Privatsphäre, die zur letzten Ruhe gebettet wird. bzw. worden ist. An dieser Stelle könnte man/ich dem Autor ein bisschen Langatmigkeit vorwerfen, allerdings kann es auch daran liegen, dass ich immer wieder beim Lesen pausiert habe, um das Gelesene sacken zu lassen. Ein ungerechtfertigter, zweiter Kritikpunkt wären hier die klassischen Antagonisten, die zwar den sympathischeren Part in dieser Geschichte abbekommen, aber viel zu wenig an Präsenz erhalten. Dieses Ungleichgewicht ist vom Autor so gewollt, jedenfalls vermute ich es, denn so wird dem Leser durch diese Überzeichnung und durch die Unbedarftheit erst vor Augen geführt, wie wir leichtfertig wir mit dem Thema Social Media umgehen! Manchmal hatte ich tatsächlich das Gefühl, hier eine durch und durch satirische Geschichte zu lesen. „Der Circle“ ist ganz bestimmt eine der besten Dystopien, die ich in letzter Zeit gelesen habe und bestimmt nicht das letzte Buch, das ich von diesem wirklich ausgezeichneten Autor lesen werde.