Rezension

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Vaterland, Partei, Ehre der Familie - und noch mehr

Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten! - Carmen-Francesca Banciu

Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!
von Carmen-Francesca Banciu

"Für Vater waren drei Dinge wichtig

In der festgefügten Reihenfolge

Das Vaterland

Die Partei

Die Ehre der Familie

So hat Vater mir das erklärt

Schon in meiner Kinderzeit..."

Der Vater war ein glühender Anhänger der Partei, er wollte ein neues Land schaffen. Dafür arbeitet er ständig und bringt Opfer; er vernachlässigt seine Frau und seine einzige Tochter. Oder darf man das auch anders sehen - hat er einfach immer nur das getan, was ihm gefiel, und dafür Anerkennung seiner Genossen eingeheimst und die Bewunderung der Frauen ausgenutzt und seine Familie im Stich gelassen??

Die Erzählerin hat sich schon vor langer Zeit aufgelehnt, sowohl gegen das Regime als auch gegen den übermächtigen Vater. Sie ist ausgewandert nach Deutschland. Dieses Verhalten wurde als Verrat ausgelegt und hat der Karriere des Vaters geschadet. Die Mutter ist schon vor Jahrzehnten gestorben; eine Aussöhnung mit dem Vater fand nicht statt. Nun hatte er mit 87 Jahren einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Die Tochter reist zu ihm; bei ihm findet sie zwei seiner Geliebten vor: Rebeca, seine langjährige Sekretärin, mit der er schon zu Lebzeiten der Mutter ein Verhältnis hatte, und Daria, die die Mutter in ihrer Sterbezeit gepflegt hat und die sich der Patriarch als Ersatzehefrau genommen hat. Jetzt ist die letzte Gelegenheit, sich auszusprechen, Vergangenes zu klären und sich auszusöhnen, aber der alte Mann hat kein persönliches Wort für seine Tochter.

Das Buch besteht aus einem ununterbrochenen inneren Monolog der Tochter, aus deren Sicht das aktuelle Geschehen geschildert wird, die Erinnerungen aus der Vergangenheit hervorholt und versucht, einen Sinn zu finden. Banciu wählt die Form eines Prosagedichtes. Verdichtet wirken auch ihre Erfahrungen und ihre Gefühle. Es vermischt sich das Politische und das Private; wie im Leben des Vaters sind sie nicht zu trennen. Eine solche übermächtige Vaterfigur bestimmt das Leben der Tochter auch noch, als sie sich schon längst distanziert hat; die Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten, ihre Sehnsucht und seinen Verrat, bleiben auch nach seinem Tod noch schwierige Aufgaben.

".... Denn in Wirklichkeit

Was wissen

Oder was wissen wir nicht

Was wissen wir über das Leben

Und was wissen wir über den Tod."

 

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2018.