Rezension

Vatersuche auf dem Fluss

Land in Sicht - Ilona Hartmann

Land in Sicht
von Ilona Hartmann

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Gespräch an einer Bar bringt Jana dazu, endlich ihren Vater zu suchen. Diese unbestimmte Sehnsucht war ihr bisher fremd. Doch unternimmt sie weiter nichts, wird sie sich ihr Leben lang unvollständig fühlen.  Fragen Fremder nach Janas Vater hatte ihre Mutter sich schon immer geschickt entzogen. Das Konzept Vater blieb dem Mädchen fremd, Väter anderer Kinder wirkten leicht unheimlich auf sie. Als Jana bei ihrer Mutter ein altes Foto findet und Freundin Tessa sofort die Ähnlichkeit zwischen Vater und Tochter wahrnimmt, fällt ihr der nächste Schritt nicht schwer. Milan arbeitet als Kapitän eines Schiffs für Donau-Kreuzfahrten und Jana bucht auf diesem Schiff eine Woche Passau-Wien. Vermutlich ist sie die einzige Person unter 60 an Bord. Immerhin kommen die Passagiere aus aller Welt; bei Tisch spricht man Englisch. Flusskreuzfahrten bieten kurzen Tapetenwechsel, ohne dass Passagiere unterwegs mit zu viel Fremdem konfrontiert würden. Und - auf Flüssen werden Passagiere nicht seekrank, heißt es. An Bord gibt es keine Extras, nur ein paar Gesellschaftsspiele zum Ausleihen und Bob, den Alleinunterhalter.

Zwischen blätterndem Charme von Deckenventilatoren und goldenen Handläufen entwickelt sich die Spurensuche der Icherzählerin. Wird sie sich Milan zu erkennen geben und nach der Flussfahrt als Tochter eines Vaters von Bord gehen? Leute wie Milan arbeiten als Fahrradkurier oder Skilehrer, sie ziehen von Ort zu Ort; ihre Kunden stellen keine unnützen Fragen. Noch ehe Jana bewusst wird, dass es auch sie nicht lange an einem Ort hält,  zeigen sich die Lebensläufe von Vater und Tochter verblüffend ähnlich. Wie Milan 25 Jahre zuvor Frau und Tochter  verlorengingen, wirkt mit dieser Parallele vor Augen nur folgerichtig.

Auf knappen 160 Seiten konzentriert sich Ilona Hartmanns Icherzählerin auf ihre Vatersuche. Jana erzählt von ihrer Flussfahrt klug und voller Humor. Hätte sie mehr über das Schiff erzählt und was draußen am Ufer vor sich geht, hätte ich auch das aus ihrer Feder genossen.