Rezension

Vergangenheit und Zukunft

Bone Music -

Bone Music
von David Almond

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT:

Die 15jährige Sylvia Carr verbringt mit ihrer Mutter einige Tage in einem kleinen Cottage in Newcastle (Nordengland). Sie vermisst ihre Freundinnen, und weil auch der Handyempfang in dem abgelegenen Dorf ausgesprochen schlecht ist, fühlt sie sich einsam und entwurzelt. In der Nacht wacht sie immer wieder auf und tritt ans Fenster, weil sie aus dem gegenüberliegenden Wald eine fremdartige Melodie vernimmt, von der sie sich magisch angezogen fühlt. Schliesslich begegnet Sylvia dem Jungen Gabriel, der so ganz anders ist als die Jugendlichen in der Stadt, mit denen sie es sonst zu tun hat. Hochbegabt, aber dem inneren und äusseren Druck, der auf ihm lastete, nicht gewachsen, hat er sich selbst verletzt und in sich zurückgezogen. Einzig in der Natur und der schamanistischen Weltsicht seiner Urahnen findet er Frieden. Das Spiel auf einer uralten Knochenflöte versetzt ihn dabei in die Vergangenheit. Musik ist ein zentrales Moment in diesem Roman. Zusammen mit Gabriel stellt Sylvia daher eines Tages ihre eigene Knochenflöte her, deren Töne sie eng mit der mythologischen Vergangenheit Northumberlands verschmelzen lassen. Nachts unternimmt Sylvia eine magisch spirituelle Reise in die Vergangenheit, in welcher sie sich in eine urzeitliche Vorfahrin verwandelt und alle Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufgehoben scheinen. Aus dieser Kraft will Sylvia zukünftig schöpfen, um ihre eigene Welt zu schützen und zu einem lebenspendenden, heilsamen Ort für alle zu machen.

 

MEINE MEINUNG:

Auf den ersten Blick handelt «Bone Music» von dem Kontrast zwischen Stadt und Land, Technik und Natur, Verlorenheit und Verwurzelung.

Erst auf den zweiten Blick erkennt man, worum es David Almond wirklich geht: Er will eine tragfähige Verbindung zwischen diesen beiden Welten schaffen. Sein Roman ist ein Plädoyer dafür, dass junge Menschen sich der Schönheit und Wildheit der Natur bewusst werden, nicht vergessen, wie sehr alle von der Vergangenheit der Vorfahren geprägt werden, aber zugleich den Sinn für die Wirklichkeit nicht verlieren.

Was Menschen dabei im wahrsten Sinne des Wortes in einer technisierten und unruhigen Welt erden soll, ist die Rückbesinnung auf die geschichtlichen Wurzeln, auf die Schöpferkraft und Schönheit in jeder Kreatur und jedem Lebewesen. Und es ist immer wieder der magische Zauber der Töne und der Musik, welcher unser Innerstes bewegen und verändern kann.

Dieser Mix ist es, der für mich den besonderen Reiz dieses Romans ausgemacht hat, und ich schätze Almonds Anliegen sehr, dass wir uns achtsam mit der Natur und der Vergangenheit auseinandersetzen sollen, um uns selbst und unseren Platz in der Welt zu finden.

Leider ist es dem Autor jedoch nicht gelungen, mich durchgängig mit diesem Roman in meinem Innersten zu berühren, so wie ich es erhofft hatte. Möglicherweise liegt es an dem Zuviel an Themen, die den Erzählfluss nach meinem Gefühl (zu) oft unterbrechen.

So befindet sich etwa die Ehe von Sylvies Eltern sich in einer Krise. Sie droht daran zu zerbrechen, dass ihre Mutter es nicht (mehr) erträgt, den Mann immer wieder als Kriegsberichtsreporter in Lebensgefahr zu wissen.

Sylvies Mutter arbeitet therapeutisch mit «schwererziehbaren» Jungen, wovon einer sich das Leben nehmen will.

Der freundliche alte Nachbar Andreas hadert mit seiner Vergangenheit und der Schuld, die er als junger Mann im Krieg bei den deutschen Nationalsozialisten auf sich geladen hat.

Sylvie und ihre Freundinnen und Freunde engagieren sich für den Umweltschutz und versammeln sich regelmässig zu Klimaschutzdemos.

Ich wäre stattdessen gerne mehr bei Gabriel und Sylvia und der urzeitlichen und mythologischen Vergangenheit des Ortes geblieben. Gabriel ist für mich die Schlüsselfigur des ganzen Buches, über ihn hätte ich gerne noch mehr erfahren, doch bleibt er merkwürdig konturlos.

Beim Lesen hatte ich manchmal das Gefühl, dass der Autor versucht zu beschreiben, wie er denkt, dass Jugendliche heutzutage sind. Es schien mir so, als müssten möglichst alle «Baustellen», die es im Leben von Heranwachsenden geben könnte, auch genannt werden.

 

FAZIT:

«Bone Music» ist eine poetische Gegenwartserzählung über die Nöte und Sorgen Jugendlicher mit mystisch-spirituellen Elementen. Das Buch ist etwas ganz Eigenes unter den vielen Romanen, die es aktuell für Jugendliche gibt, weswegen eine Lektüre auf jeden Fall lohnenswert ist. Dies auch vor allem wegen Almonds schönem Schreibstil und seinen gelungenen Naturbeschreibungen.