Rezension

Verhängnisvolle Machtspiele im alten Japan

Das Mädchen aus Feuer und Sturm - Renée Ahdieh

Das Mädchen aus Feuer und Sturm
von Renee Ahdieh

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das ist nun also so ein richtiger Mädchenroman, wie ich ihn mir als kleines Mädchen immer gewünscht habe (mal abgesehen vom Cover). Damals kannte ich Mädels in Männerverkleidung nur aus "Western von gestern" und aus der Oper, vielleicht war ich deswegen so ein großer Opernfan.

Mariko, die einem japanischen Adelsgeschlecht angehört, soll an den Sohn des Kaisers verheiratet werden. Schon auf den ersten Seiten, wenn sich ihre Sänfte mit Samuraibegleitung in Richtung Kaiserstadt in Bewegung setzt, wird klar, dass die junge Braut alles andere als einverstanden mit diesem Beschluss ihres Vaters ist. Doch Mädchen haben in dieser Angelegenheit nicht mitzureden. Da kommt es nicht ganz ungelegen, dass der Geleitzug im Jukaiwald überfallen wird und Mariko als einzige Überlebende dem Massaker entkommt. Als Junge getarnt, versucht Mariko herauszufinden, wer genau ihr nach dem Leben trachtete und warum. Dabei gerät sie in die Fänge des "Schwarzen Clans", einer Bande von Gesetzlosen, die im Jukaiwald ihr Unwesen treibt, und auf Dauer findet sie Geschmack an dem wilden Outlaw-Dasein. Wenn nur nicht der dringende Verdacht bestünde, dass der "Schwarze Clan" selbst hinter dem Anschlag auf ihr eigenes Leben steht. So spielt Mariko ein falsches Spiel, gibt sich sich als gefügiges neues Bandenmitglied aus, während sie in Wirklichkeit Rachepläne schmiedet. Dumm nur, dass sie sich dabei ausgerechnet in Okami, den verschlossenen genialen Einzelgänger aus dem Clan, verliebt ..

Hohe Literatur ist es wahrlich nicht, aber durchaus intelligent geschrieben. Dabei macht der Übersetzer, der zwar begabt, aber wohl noch etwas grün hinter den Ohren ist, der Autorin schon mal den einen oder anderen Strich durch die Rechnung. Denn eigentlich formuliert sie geschickt und ideenreich. Dass es manchmal etwas gewollt klingt, liegt wohl hauptsächlich an der Übertragung ins Deutsche. Hier stimmt einfach zu oft etwas grammatisch und stilistisch nicht, neben den vielen schönen Stellen, die durchaus vorhanden sind. Hin und wieder aber ist es auch die Autorin selbst, die ein bisschen dick aufträgt. Stellen wie: "Er sprach mit einem einvernehmlichen Versprechen. Dem Versprechen von blutiger Vergeltung" kann wohl auch der beste Übersetzer nicht retten ...

Eine Stärke des Romans ist es, dass er die abhängige Stellung der Mädchen und Frauen in der damaligen Zeit sehr anschaulich beleuchtet. Die scharfsinnige und mental gut ausgebildete Fürstentochter Mariko ist sich dieser Problematik bewusst, analysiert sie und zieht mutige Konsequenzen. Realistisch ist das sicher nicht immer, und hin und wieder weist die Handlung gewisse logische Schwächen auf, aber spannend ist die Geschichte auf jeden Fall. Und es gibt sehr schöne und spritzige Dialoge. Manche wirken auf einen Europäer vielleicht auch etwas abgefahren, denn Japan ist geistesgeschichtlich wirklich eine andere Welt. Dass dies im Roman gut rüberkommt (wie ich finde), ist auch eine Stärke.

Die Autorin zeichnet ein lebendiges Bild vom antiken Japan, in das sie ihren fantastischen Abenteuerroman eingebettet hat. Sie lässt den Leser eintauchen in die uns fremde Welt des Gesicht-Wahrens und der Tugenden des Bushido. Etwas weniger blutrünstige Details bei der Beschreibung von Gemetzeln wären nett gewesen. Überhaupt nervt es ein bisschen, dass ständig von Ehre und Rache die Rede ist. Auch Mariko ist in hohem Maße anfällig für diese Art von Gefühlen und sieht dadurch manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht - immerhin, in diesem Punkt ist mir die Autorin sympathisch, denn im Laufe der Geschichte darf sich Mariko tatsächlich weiterentwickeln. Wenn sie auch ein bisschen Zeit dafür braucht. Zu viel Zeit ...

Für die Sittenwächter unter uns: es gibt zwei Sexszenen. Die erste ist ... spektakulär, die zweite  - ziemlich kitschig. Aber es wird in keinem Augenblick pornographisch. Viel mehr haben mich wirklich die extrem grausamen Massaker-Details an einigen Stellen gestört. Daher würde ich die Lektüre für ein jüngeres Publikum nicht empfehlen.