Rezension

Verliebt in eine Umschlaggestaltung...

Krokodilwächter
von Katrine Engberg

Bewertet mit 4 Sternen

... seit ich "Krokodilwächter" zum ersten Mal in einer Instagram-Story sah, war ich verliebt. Diesen Umschlag finde ich schlicht atemberaubend und er hat dazu geführt, dass ich das Buch einfach nur haben wollte, egal, ob mir der Inhalt gefällt. Gut, da es ja aus dem Hause Diogenes kommt, konnte es wohl nicht allzu schlimm werden, aber das war für mich zweitrangig. Das Buch dann in den Händen zu halten, war ein zauberhafter Moment. Das edle, samtige Weiß, die schönen, silbrig-glänzenden Buchstaben und das Kontrast gebende, dunkle Rot - allein die Farbzusammenstellung ist schlicht schön. Doch die Schlitze im Umschlag, die den roten Leineneinband wie blutiges Fleisch durchblitzen lassen, sind einfach der Hammer. Tolle Idee! Doch genug zu den rein äußerlichen Merkmalen.

Krokodilwächter ist das Krimi-Debüt der dänischen Tänzerin, Choreografin und Regisseurin Katrine Engberg. Sie vermag es, wohl dank ihrer Erfahrung im Fach des 'Inszenierens', in ''Krokodilwächter" eine spannende Story zu erzählen, in der sie den Leser nur Stück für Stück Informationen preisgibt, die dazu führen, dass dieser einerseits in die Irre geleitet und andererseits nur schrittweise dem wirklichen Täter auf die Spur kommt. Als Leser dieses Krimis (auch wenn beides nicht mein Genre ist, für einen Thriller scheint der Roman mir doch zu harmlos, leise und unspektakulär) darf man somit quasi ab der ersten Seite spekulieren und Theorien entwerfen. Das zieht einen natürlich beim Lesen und führte auch zu einer sehr lebhaften Leserunde. Allerdings hat es die Autorin leider abschließend nicht geschafft, alle offenen Fragen zu klären und eine geschlossene Theorie des Gewesenen abzuliefern, was den mitfiebernden Leser unbefriedigt mit seinen Theorien in der Luft hängend zurücklässt. 

Im Mittelpunkt des Krimis steht ein brutaler Mord an einer jungen Studentin. Wie kommt es, dass ihre im gleichen Haus lebende Vermieterin nur wenige Tage vor der grausamen Tat in einem Romanentwurf genau diese beschreibt? Noch dazu, wo die Studentin auch das Vorbild für die ermordete Romanfigur war! Das Ermittlerduo Jeppe Kørner (emotional, frisch verlassen und hinsichtlich seines männlichen Stolzes schwer verletzt) und Anette Werner (augenscheinlich glücklich liiert, doch ruppig) nimmt die Ermittlungen auf und sieht sich bald in einem Wollknäuel aus familiären und anderen Beziehungen verheddert, deren Anfänge teilweise schon eine Generation zurückliegen. Diese nach und nach zu entwirren ist nicht so einfach, da die Befragten unkooperativ Informationen zurückhalten und irgendwer ganz genau zu wissen scheint, was die Polizei vor hat. Kørner und Werner ermitteln als Duo in feinster Tatort-Manier und man kann sich gut vorstellen, den beiden in einem nächsten Teil der Reihe noch einmal zu begegnen. Vor allem auch deshalb, weil man nur Jeppe in "Krokodilwächter" wirklich näher kennengelernt hat, Anette blieb noch recht fremd. 

Das Buch ist lesenswert und ich würde es jedem empfehlen, der etwas Spannung liebt, allerdings glaube ich, dass es die Autorin hier etwas zu gut gemeint hat. Die Auflösung zum Schluss ist dann doch (wie nach den ganzen Wendungen und Informationen zu erwarten war) extrem konstruiert und nicht ganz glaubhaft, vor allem das Motiv des 'Krokodils' (ich möchte hier nicht spoilern und orientiere mich an dem titelgebenden Vergleich) bleibt im Dunkeln. 
Mein liebstes Zitat, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Autorin Regisseurin ist, ist wie der Ermittler auf S. 270 von 504 fragt "Sag mal, befinden wir uns mitten in einem beschissenen Kriminalroman?" Nein, muss man sagen - 'beschissen' bei weitem nicht! Aber auch nicht nicht perfekt. Solide, ausbaufähig, unterhaltsam. Und - habe ich erwähnt, dass die Umschlaggestaltung genial ist? ;)