Rezension

Verliebt in sein Forschungsprojekt

Der Mann ohne Schatten - Joyce Carol Oates

Der Mann ohne Schatten
von Joyce Carol Oates

Bewertet mit 4 Sternen

Der Roman handelt von einer höchst ungewöhnlichen Beziehung zwischen einer Neurowissenschaftlerin und ihrem Forschungsobjekt. Seit einer Entzündung im Gehirn ist das Kurzzeitgedächtnis von Elihu Hoope gestört. Der 37-Jährige kann sich gerade einmal siebzig Sekunden lang erinnern.

Mit großem Enthusiasmus stürzt sich die ehrgeizige Neuropsychologin Margo Sharpe auf den Fall, der eine große berufliche Chance für sie darstellt. Man könnte meinen, dass es mühsam ist, sich jedes Mal seinem Probanden vorstellen zu müssen. Doch Margot fühlt sich in seiner Gesellschaft wohl und führt lange vertraute Gespräche mit ihm. Während sie Elihus Erinnerungsvermögen mit einer Reihe von Tests untersucht, kommen auch aus seinem vergangenen Leben mysteriöse Bruchstücke zum Vorschein, was die Spannung erhöht.

Der interessanteste Aspekt ist sicher die ambivalente Figur der Margo. Einerseits legt sie großen Wert auf ihre Karriere und Professionalität, andererseits lässt sie sich von ihren romantischen Gefühlen zu Elihu leiten, gaukelt ihm sogar vor, sie sei seine Ehefrau und bindet trotz ethischer Bedenken ihr Forschungs- und Liebesobjekt völlig an sich.

Für mich hatte die Geschichte ein paar Längen, doch abgesehen davon hat mich das hohe literarische Niveau, die gut gezeichnete Hauptfigur und Oates interessante Gedanken über unser Gehirn und Erinnerungsvermögen schwer beeindruckt.