Rezension

Verloren auf dem Schlachtfeld

Die Chroniken von Azuhr - Die Weiße Königin - Bernhard Hennen

Die Chroniken von Azuhr - Die Weiße Königin
von Bernhard Hennen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mit dem Einstieg in Band zwei um die Geschehnisse auf Cilia war ich nicht ganz sicher, ob ich wirklich in der richtigen Fortsetzung gelandet bin. Dabei hätte ich mir das leicht herleiten können, denn Bernhard Hennen hat auch in seinem ersten Buch mit einem Prolog begonnen, der zeitlich weit vor der eigentlichen Handlung spielte, aber entscheidend für das Verständnis der Geschichte war. So bin ich nun aber im Bilde, wer eigentlich Sasmira ist, die zur aktuellen Erzählzeit gerade frisch die Macht des gesamten Reiches an sich gerissen hat.

Ein bisschen verwirrend bleiben die Herrschaftsstrukturen noch für mich, es sind ganz schön viele Spieler mit Heeren auf dem Spielfeld und es ist nicht leicht, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Das geht auch Milan nach wie vor so. Darum fokussiert er sich auch auf die Märengestalten, die in ganz Cilia zum Leben erwachen und sehr viel Kummer und Unruhe unter die Menschen bringen.

Doch da er selbst weiter fleißig an neuen Märenvarianten bastelt, kann er sich nicht lange aus dem Kampfgeschehen heraushalten. Seine Märchen werden wahr, nur nicht immer so, wie er sich das eigentlich gedacht hatte. Die Figuren führen ein Eigenleben und nehmen nicht zwangsläufig Rücksicht auf Freund oder Feind. Vielleicht haben sie ebenfalls den Überblick verloren. Einzig über die Weiße Königin sind sich alle einig – sie wird kommen, wenn die Not ihres Volkes des Schwertwaldes am Größten ist.

Daran glaubt auch Milans Vater Nandus fest und so versucht er den Kampf gegen die Herzöge des Schwertwaldes zu gewinnen, ohne dass das Volk in tödliche Bedrängnis gerät. Damit ist er allerdings nicht in der gleichen Spur wie die befehlshabenden, finanzstarken Kaufleute, denen einzig der Profit wichtig ist. Und zu guter Letzt versucht das Khanat ebenfalls auf Cilia an einigen Strippen zu ziehen.

Nein, ein klarer Durchblick gehört nicht zur Zielsetzung von Bernhard Hennen für seinen zweiten Teil. Das will ich ihm auch nicht ankreiden, denn unterhalten hat mich sein Roman in jedem Fall. Es sind nach wie vor die Figuren, die ich überzeugend gestaltet finde. Die erzählte Welt wird komplexer, das bringt neue Tiefen, Figuren und Erzählstränge wie Ebenen in die Handlung. Und da in Märchen alles möglich ist, ist kein Ende sicher das Ende. Das lässt der Fantasie freien Lauf.

Hennen ist ein Erzähler durch und durch. Jeder Perspektivwechsel sitzt, der Erzähler lässt nur soviel durchblicken, wie gerade für das Verständnis der Handlung nötig ist und mit einer gewissen Kaltblütigkeit müssen hin und wieder Figuren dran glauben, von denen man es als Leser nicht erwartet. Fazit zu Teil Zwei: fesselnd, schaurig, bisschen Gefühl an der richtigen Stelle und eine ungewisse Zukunft für die Hauptfiguren. In jedem Fall genug Stoff für den dritten Band.