Rezension

Verloren in Potsdam

Der Fall Garnisonkirche - Christine Anlauff

Der Fall Garnisonkirche
von Christine Anlauff

Bewertet mit 5 Sternen

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Just Verloren ist Literaturkritiker und betreibt einen Blog, der sich mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam beschäftigt. Er beobachtet und kommentiert – die Gegner und die Befürworter lässt er alleine streiten. Eines Tages erhält er ein Manuskript von P. Faust. Da kein Absender darauf steht und er sowieso keine Lust hat, Agent zu spielen, wandert es sehr bald in Ablage P: Papierkorb. Dort fischt es seine neue Eroberung Magda wieder raus und liest darin – und ist begeistert. Also schaut auch Just genauer hin. Und staunt, als die Ereignisse sich überschlagen: wie im Manuskript beschrieben, wird tatsächlich ein Attentat auf den Turm der Garnisonkirche verübt. Mit Entsetzen stellt Just fest, dass der Hauptprotagonist des Manuskriptes sehr viele Parallelen zu ihm selbst aufweist. Just beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen und merkt – abgelenkt durch seine Gefühle für Magda - nicht, in welche Gefahr er sich begibt ...

 

Dass mir dieses Buch gefallen würde, hatte ich ja schon geahnt. Bisher gefiel mir einfach jedes Buch von Christine Anlauff. Aber dass ich das Buch kaum weglegen konnte und in jeder freien Sekunde weiterlesen MUSSTE, das hatte ich nicht erwartet. Schon die ersten Zeilen fesselten mich ans Buch und mit jeder Seite mehr war ich mehr gefangen. Ein absoluter Pageturner! Und das mit wenig Blut und kaum wirklicher „Action“, aber jeder Menge Humor, Ironie, Sarkasmus, einer guten Prise Gefühl, unfassbarer Spannung und jeder Menge Menschlichkeit! Ein gelöstes Rätsel führt zum nächsten, ein Problem ergießt sich ins nächste und so rast man durch die Story und kann kaum glauben, wie die Zeit vergeht. Der Stil ist locker und leicht zu lesen, die Wortspiele und Gedankengänge einfach grandios und die Szenerie perfekt gezeichnet. Ohne ausschweifende Beschreibungen breitet sich dem Leser Potsdam und die Garnisonkirche aus, führen die Straßen an die Ziele und tauchen Wohnungen vor dem eigenen inneren Auge auf. Die Protagonisten sind alle herrlich aufgebaut – ob sympathisch oder nervig, nett oder abstoßend – alle haben einen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Manche mag ich sogar gerade deshalb, weil sie so schräg sind. Es ist wunderbar!

 

Die einzelnen Puzzleteilchen, die Just zusammenträgt, um den Fall zu lösen, passen herrlich leicht ineinander und trotzdem ist man immer wieder überrascht, weil nichts so ist, wie man dachte – oder sich erhoffte. Aber Christine Anlauff zerrt keineswegs überraschende Wendungen herbei – sie lässt den Leser nur einfach vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Sie streut stetig Brotkrumen zu einer Spur, die dem Leser erst auffällt, wenn es fast schon zu spät ist. Der fulminante Showdown setzt einem ohnehin schon grandiosen Lesevergnügen noch mal die Krone auf!

 

Besonders gelungen ist ihr in meinen Augen der Dreh, die Story von Just Verloren erzählen zu lassen. Eine weibliche Autorin erzählt als männlicher Protagonist die Sache mit der Garnisonkirche – echt genial! Ich erinnere mich gerade nicht daran, diese Rollenverteilung schon mal gelesen zu haben. Sonst schreiben doch Frauen aus der Sicht von Frauen und Männer übernehmen gern den Part, sich angeblich in Frauen denken zu können. Christine Anlauff hat mit ihrem Just Verloren einen Charakter geschaffen, von dem ich sehr gerne sehr viel mehr lesen möchte. Er hat das Zeug zu einer Serie! Aber auch auf ganz andere Bücher von der Autorin freue ich mich jetzt noch mal so sehr, wie bisher ohnehin schon – ihr Potenzial scheint unerschöpflich und ihr Anspruch an sich selbst ist so hoch, dass der Leser auf alle Fälle davon profitiert. Eine Autorin, die man sich merken muss und ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte! Von mir total begeisterte fünf Sterne für mein diesjähriges Lesehighlight, das nur sehr schwer von einem anderen Buch von seinem Platz eins verdrängt werden kann!

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