Rezension

Verpufft wie eine Seifenblase

YOU - Du wirst mich lieben - Caroline Kepnes

YOU - Du wirst mich lieben
von Caroline Kepnes

Bewertet mit 2.5 Sternen

Als die Studentin Guinevere Beck die Buchhandlung betritt, in der Joe arbeitet, ist er augenblicklich hingerissen von ihr. Sie ist all das, was er will: wunderschön, tough, clever und so sexy. Zum Glück bezahlt sie ihren Einkauf mit ihrer Kreditkarte, denn so kann Joe tun, was jeder normale Mensch in dieser Situation tun würde: Er googelt ihren Namen. Doch dabei bleibt es nicht. Schon bald ist Joe besessen von Beck, beginnt sie zu stalken. Mehr und mehr findet er über sie heraus, hackt ihren Facebook- und Twitter-Account, durchsucht ihre Wohnung. Er inszeniert eine Reihe von makabren Ereignissen, die Becks Welt Stück für Stück zerstören – und sie direkt in seine offenen Arme treiben. Bald kann Beck gar nicht anders als sich in den seltsamen, aber irgendwie charismatischen Typen zu verlieben, der wie für sie gemacht scheint … Eines nach dem anderen räumt Joe alle Hindernisse aus dem Weg, die sich zwischen ihn und Beck drängen. Und schreckt dabei auch nicht vor Mord zurück.

Bereits beim Lesen des Klappentextes begann die Haut auf meinem Unterarm zu kribbeln und langsam stellte sich Härchen für Härchen auf – Gänsehaut! Und das war auch meine Erwartung an das Buch. Ich wollte während des Lesens den Atem anhalten, ich wollte mich vor dem Schlafengehen fünfmal fragen, ob meine Tür wirklich abgeschlossen ist und ich wollte mich in der Fußgängerzone misstrauisch umdrehen. Kurzum ich wollte einen Abgrund. Einen Abgrund Namens Joe, der mich verschlingt mit Haut und Haaren. In den man stürzt, ohne Fallschirm, ohne Aussicht auf Rettung. Pure Panik! Einen spannenden Thriller! Hätte ich genau hingesehen, hätte ich bemerkt, dass das Buch als Roman ausgezeichnet ist. Ein Roman, in dem vieles sehr konstruiert wirkt, dessen Handlung streckenweise künstlich am Leben gehalten wird. Eine Geschichte für die man Ausdauer und einen langen Atem braucht, denn als Leser muss man viele Extrarunden drehen und sich durch längere Durststrecken kämpfen. Durch den fehlenden Spannungsbogen wird man nicht angehalten sein Tempo zu erhöhen oder weiter zu machen, es passiert wenig überraschendes und Ereignisse, die eigentlich schockieren sollten, gehen in Nebensätzen unter. Das bremst einem beim Lesen leider aus, man wird immer langsamer und wird dazu verleitet anzuhalten. 

„Du“ so beginnt die Geschichte und dieses kleine Wörtchen ist unglaublich prägend für den Stil des Buches. Caroline Kepnes hat einen ganz besonderen Schreibstil, den ich bisher mit nichts vergleichen kann. Die Autorin lässt Joe, den Hauptprotagonisten, seine Geschichte erzählen und für Joe gibt es nur eine Zuhörerin, nämlich Beck. Nur ihr vertraut er seine wirren Gedankengänge, seine Anekdoten aus der Vergangenheit, seine Wut, seine Hoffnung, seine Pläne für eine Zukunft mir ihr und sein sexuellen Phantasien an. Man fühlt sich als Leser direkt angesprochen, das ist beunruhigend und neuartig zu gleich. Man findet sich in einem Dialog mit dem besessenen Stalker wieder. 

Die Autorin Caroline Kepnes lässt in ihrer Geschichte ausschließlich sonderbare Charaktere auftreten. Man könnte fast meinen sie hat beim Erschaffen der Figuren bei einem Psychiater einmal die gesamte Patientenkartei kopiert. Eine Sammlung von kranken Psychen und deren Opfern. Dadurch das ausnahmslos alle Hauptdarsteller und tragenden Nebendarsteller keine authentischen oder realistischen Personen sind, wirkt die Geschichte leider auch etwas zu überladen mit Komplexen und Sonderbarkeiten. Aufgrund ihrer schwierigen Persönlichkeiten reagieren die Figuren eben auch sonderbar und verhalten sich teilweise wirklich abstrus. Das hat zur Folge, dass dem Leser viel Geduld abverlangt wird. Man braucht einen langen Atem und starke Nerven, um nicht teilweise an die Decke zu gehen.
Was mich allerdings fasziniert hat war, dass es Caroline Kepnes dadurch gelingt, Joe nicht als „den Bösen“ darzustellen und Beck nimmt man zu keiner Zeit als „das Opfer“ war. Der Klappentext lässt zwar auf eine klassische Täter-Opfer-Beziehung schließen, die findet man aber gerade nicht! Eine interessante Umsetzung. Als Leser ist man überrascht was man Joe an perfiden Reaktionen und brutalen Handlungen alles durchgehen lässt.

Eine Geschichte, in der wirklich viel Potenzial steckt, dass leider untergeht in den Längen, Durststrecken, Nebensächlichkeiten und Ziellosigkeit.