Rezension

Verratene Freundschaft

Die Lichtung - Linus Geschke

Die Lichtung
von Linus Geschke

Bewertet mit 3 Sternen

Journalisten sind es gewöhnt, in unliebsamen Ereignissen aus der Vergangenheit zu stochern, Nachforschungen zu betreiben und darüber Zeitungsberichte zu schreiben. Jan Römer ist ein solcher Journalist, und dennoch fällt er aus allen Wolken, als er den Auftrag erhält, einen Doppelmord zu recherchieren, der sich mehr als 25 Jahre vorher ereignet hat. War er doch selbst damals dabei gewesen, und war es doch sein bester Freund, der tot aufgefunden wurde und ein Mädchen, das er kannte. So viele Jahre schon hat er versucht, diese Geschehnisse zu verdrängen und zu vergessen, doch jetzt kommt er nicht mehr aus. Schlimmer noch, im Polizeibericht findet er einen winzigen Satz, der das ganze Gefüge dessen, was er geglaubt hat zu wissen, zum Einsturz bringt. All die Jahre hat er einen Unschuldigen für den Mörder gehalten, doch jetzt muss er erkennen, dass der wahre Mörder noch draußen herumläuft.

Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, ist er gezwungen, tief in seine eigene Vergangenheit zu tauchen, seine Erinnerungen zu überprüfen und Kontakt zu seiner ehemaligen Clique aufzunehmen, mit der er damals die Zeit in der Blockhütte verbracht hatte - nur wenige Meter von der Lichtung entfernt, auf der sich die Morde ereignet hatten. Er bekommt dabei Hilfe von "Mütze", einer ehemaligen Arbeitskollegin und gerät in das Visier des wahren Mörders - des Täters, der sich hinter der Maske eines alten Freundes verbirgt.

Die Geschichte spielt sich auf zwei Zeitebenen ab. Einerseits in der Gegenwart, in der Römer den Spuren folgt, alte Freunde wiedertrifft, sich mit "Mütze" berät oder über seine Ehe nachgrübelt. Die andere Zeitebene bringt uns zurück ins Jahr 1986, zu dem 16jährigen Römer und seiner Clique, zu einer scheinbar unbeschwerten Freundschaft, Ferien, Hochsommer und der ersten Liebe.
Die Sachen aus der Vergangenheit haben mir dabei sehr gut gefallen. Das Feeling der 80iger wird herübergebracht, das Herzklopfen bei den Interaktionen mit der Angebetenen, die Musik, auch mal Stress mit anderen. Obwohl man wusste, was passieren würde, konnte sich in der Vergangenheit die Spannung und das leichte Weglesen prima halten.

Weniger gefallen hat mir die Gegenwart. Erst einmal finde ich manche Handlungen von Römer überhaupt nicht nachvollziehbar. Da wird seine Frau telefonisch bedroht - ach, wird schon nicht so schlimm sein, kann sich ja eigentlich nur um den echten Mörder handeln, der da auf Nachforschungen reagiert. Er wird überfallen und nur durch einen Zufall vorm Kehlendurchschneiden gerettet, er findet einen Toten ... Nicht ein einziges Mal denkt er auch nur daran, mal die Polizei zu verständigen. Im Gegenteil: Als sie ihn zu Zeugenbefragungen holt, wird er pampig. (Und dieses Guter Bulle/Böser Bulle war geradezu lächerlich.) Auch die Erklärung, dass die Clique eine etwas frisierte Darstellung der Ereignisse bei der Polizei widergab und NICHT EIN EINZIGER bei den Befragungen einknickte, ist realitätsfremd. Dazu der Schluss. Um den Mörder zu stellen, sucht er sich Hilfe bei Jugendlichen, die er überhaupt nicht kennt. Und die helfen ihm natürlich auch, obwohl sie eine enge Beziehung zu dem Mörder haben. Aha. Sehr logisch. Nicht.

Gelegentlich nervig fand ich auch die inneren Monologe Römers, der darüber nachgrübelte, dass ja früher alles besser war, weil die Kids noch rausgingen und sich nicht nur vor den PC setzten oder mit dem Handy kommunizierten. Solche Sachen erschienen mir immer ein wenig mit dem erhobenen Zeigefinger, völlig unnötig für einen Krimi.

Fazit: Interessant und auch gut geschrieben, mit einigen Schwächen, die unnötig waren. Ich denke, der Autor hat noch Luft nach oben.