Rezension

Verschenktes Potential

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle. - Arno Strobel

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle.
von Arno Strobel

Bewertet mit 2 Sternen

Freund, Feind oder gar Mörder

„Aber ihr Verstand spielt nicht mit. Schlimmer noch, es ist nicht mehr ihr eigener Verstand, das spürt sie. Sie ist sich selbst eine Fremde geworden.“

Inhalt

Zunächst klingt es für Jenny König und ihre Mitarbeiter wie ein spannendes Abenteuer, bei dem sich die Kollegen in einem Bergsteigerhotel einquartieren und für 5 Tage sämtliche Kontakte zur Außenwelt einstellen. Ihre gebuchte Reise unter der Schirmherrschaft des Digital Detox scheint genau das Richtige zu sein, um sich genauer kennenzulernen. Nachdem sie bereitwillig ihre Smartphones schon im Tal abgegeben haben, erreichen sie nach einem mühsamen Anstieg das Winteridyll auf dem hohen Berg. Dort könnte es auch richtig gemütlich werden, wenn nicht Thomas, einer von Jennys Mitarbeitern bereits am ersten Abend zum Mordopfer geworden wäre. Doch da sich außer den Kollegen, den Reiseführern und den Hausmeistern keine weiteren Gäste im Hotel befinden, ist klar, dass hier eine überschaubare Gruppe auf engstem Raum zusammenlebt und ein Fremder nach stundenlangen Schneefällen überhaupt keine Möglichkeit hätte, zum Täter zu werden. So sind alle Beteiligten potentielle Opfer und einer der Gruppe muss zwangsläufig der Mörder sein. Nur wer?

Meinung

Die Psychothriller von Arno Strobel mag ich normalerweise sehr gerne, weil sie oft ein psychologisches Szenario entwerfen, bei dem man tief in die Abgründe einer kranken Seele schauen kann. Doch in seinem aktuellen Bestseller „Offline“ spürt man von seinem Können sehr wenig, was auch daran liegt, dass er sich hier in erster Linie nicht auf den Mörder, sondern die möglichen Opfer konzentriert. Dadurch fehlte mir schon generell eine gewisse Perspektivenvielfalt, die den Handlungsverlauf oftmals in unermessliche Spannung treiben kann.

 Aber das hätte ich möglicherweise noch akzeptiert, wenn wenigstens der Plot ansprechend gewesen wäre. Leider greift er hier auf ein allzu bekanntes Schema zurück (eine Gruppe Menschen, ein Täter, keine Möglichkeit Hilfe zu holen und es ist sicher, es werden noch einige sterben), dem selbst der Anstrich der Moderne (Verzicht auf die digitale Kommunikation) nicht zu Höhenflügen verhelfen kann. Tatsächlich haben mich jedoch die blassen, stereotypischen Charaktere am meisten verärgert, die wirklich jedes erdenkliche Klischee erfüllen und innerhalb der Gruppe ganz schnell ein vorhersehbares Rollenmodell einnehmen. Und deshalb war es mir bereits ab der Hälfte des Buches ziemlich egal, wer dieser ausgewählten Personen, denn nun der Mörder sein wird und warum.

Möglicherweise habe ich mir einmal abgesehen von der einsetzenden Gruppendynamik (jeder verdächtigt jeden) noch viel mehr Aussagekraft und ein plausibles Motiv erhofft. Die Dialoge kratzen nur an der Oberfläche und trotz eines ansprechenden, flüssigen Schreibstils, kann die Umsetzung hier einfach nicht punkten.

Fazit

Leider werden das nur 2 Lesesterne, für mein bisher schlechtestes Buch aus der Feder des Autors. Eine bekannte Idee, gepaart mit minimalen Neuerungen und ausgeschmückt mit klassischen, unsympathischen Charakteren, machen definitiv keinen guten Psychothriller aus. Wenn wenigstens noch die Gruppenpsychologie oder ein ungewöhnlicher Blick auf den Mörder Bestandteil des Buches gewesen wären, dann hätte mich das Gesamtpaket vielleicht noch reizen können, so tritt es nur auf der Stelle.

 Und selbst der Bezug zum Titel ist nur minimal ausgeprägt, denn um die Möglichkeit, sich keine Hilfe von außen holen zu können, hätte es mehr gebraucht als nur ein paar Urlauber, die ihre Handys nicht dabei hatten. Die alles entscheidende Frage, ob das Gegenüber Freund, Feind oder gar Mörder sein könnte, bleibt hier ziemlich unbeantwortet im Raum stehen. Wiederrum kennen sich die Menschen, die hier aufeinandertreffen viel zu wenig, um diesen Zwiespalt zufriedenstellend ausfüllen zu können. Und deshalb konnte mich die perfekte Auszeit, die zum ultimativen Horrortrip wird leider nicht animieren.