Rezension

Verschlungene Familienpfade

Sterne über Lissabon - Manuela Martini

Sterne über Lissabon
von Manuela Martini

Bewertet mit 3.5 Sternen

Romane, die in Spanien oder Portugal während des 2. Weltkrieges spielen, sind gefühlt gerade der Renner auf dem Buchmarkt. Erst kürzlich habe ich die „Spanische Tänzerin“ gelesen und davor einen Spionage Thriller von Arturo Pérèz-Reverte. Als ich bei „Sterne über Lissabon“ über die ersten Kapitel hinaus war, dachte ich schon etwas enttäuscht, dass es nun wohl wieder in die ähnliche Richtung gehen wird. Manuela Martini hat mich allerdings eines Besseren belehrt. Jedes Mal wenn ich dachte, so wird es nun weitergehen oder das steckt hinter dem Geheimnis, hat sie eine andere Richtung eingeschlagen und mich abblitzen lassen. Mit ein paar Vermutungen hatte ich schon recht, aber die Autorin hat es mir eben nicht zu leicht gemacht und das Lesevergnügen aufrecht gehalten. Besonders sympathisch ist mir die Protagonistin. Tess ist Lifestyle-Journalistin, verlobt mit ihrem Collegefreund Adrian und hängt in einem Leben fest, aus dem sie nicht den Mut hat sich zu befreien. Tess' deutsche Großeltern sind in den ersten Jahren des 2. Weltkrieges über Portugal nach Amerika ausgewandert. Nun ist der geliebte Großvater gestorben und die demente Großmutter erinnert sich im Altersheim nur noch ganz selten daran, dass sie überhaupt eine Enkelin hat. Tess Mutter verunglückte vor fast 20 Jahren tödlich in Lissabon und nun wird Tess von ihrer karriereorientierten Politikertante mehr oder weniger manipuliert ausgerechnet in dieser Stadt der Familiengeschichte nachzuspüren und alles nur, weil sie zwischen dem Nachlass des Großvaters ein Fado-Gedicht gefunden hatten. In Lissabon bekommt sie Matt von der amerikanischen Botschaft an die Seite gestellt und lernt außerdem einen Fado-Gitarristen kennen, der irgendwie in die Geschichte um das Fadogedicht und ihren Großvater verwoben ist.

Alles ziemlich gewohnte Zutaten zu einem klassischen Liebesroman, und so erwische ich mich mehrmals dabei, wie ich leicht genervt die Augenbrauen nach oben ziehe in der Erwartung, dass die Handlung jetzt in diese eine ganz bestimmte Richtung abheben wird. Aber Martini versteht die Menschen und ihre Leser besser als ich vermute. Sie weiß, das alle von der großen Liebe träumen und das nur die wenigsten ihr wirklich begegnen und diese dann festhalten können. Ja, Tess hat alle Möglichkeiten sich neu zu verlieben und sich aus ihrer monotonen Zweckbeziehung zu lösen. Doch sie vermag dies ebenso wenig, wie damals ihr Großvater, der mit seiner Jugendfreundin ans andere Ende der Welt flüchtet, obwohl die Liebe längst schal geworden ist. Dieser schmale Taschenbuchband verbirgt viele interessante Aspekte über das Leben und die Liebe und schlägt einen historischen Bogen von 1938 bis in unsere Zeit. Klare Leseempfehlung.