Rezension

verstörend kluges Buch, nicht ganz einfach

Nachhall - Beile Ratut

Nachhall
von Beile Ratut

Ein wahrhaft verstörender Roman, den Beile Ratut da geschaffen hat. „Nachhall“ beginnt mit einem regelrechten Gewittersturm aus Sätzen und Wörtern, die wie ein Fiebertraum über den Leser herfallen. Viele Seiten lang gibt es kaum Dialoge, und die wenigen sind entweder knapp, gänzlich unerwidert oder es sind Monologe, die der Protagonistin, einer jungen Frau namens Espen, entgegengeschleudert werden. Und wenn dann eine Dialogfolge kommt, möchte man Espen am liebsten packen und aus der Situation herausziehen. So, wie man sie aus manchem unangenehmen Augenblick retten möchte.

Wir erleben Espen auf der Flucht. Von was? Wohin? Rückblicke auf Espen als junges Mädchen, gerade sieben Jahre alt, die aus bestimmten Gründen in der Gegenwart spielen, erklären ganz langsam aber mit brutaler Klarheit, warum das Heute in der Vergangenheitsform beschrieben wird. Eltern, die vieles, nur nicht ihre Tochter im Blick haben, ein vermeintlicher Philosoph, der sich doch nur als pädophiler Zerstörer von Kindheitsträumen entpuppt.

So irrt Espen nun als junge Frau, ihren Weg zu finden, raus aus dem Trauma der Vergangenheit. Und wir begleiten sie dabei. Die Autorin wählt dabei eine Fülle von Worten die mehr als verblüfft. So, wie sie sich auf die Ebene der Siebenjährigen begibt, die wir auch plötzlich sind, so klein, voller Ideen, Fragen, eigenen kindlichen Lösungen, die es den Erwachsenen nicht im mindesten erklärbar machen kann. Im nächsten Moment sind wir wieder mit der älteren Espen konfrontiert, die kaum reden, handeln, leben kann. Entscheidungen fallen ihr schwer, wir spüren die Last, die Schuldgefühle, die sie vor sich herschiebt wie einen nicht zu überwindenden Berg. Und doch ist sie getrieben, ihr Ziel zu erreichen. Wird sie es?

Fazit: Ein Buch voller philosophischer Tiefen, eine Wortfülle, die man selten in einem Werk findet. Verschachtelte Setze, immer wiederkehrende Fragmente, manchmal wie eine Lupe das innerste einer Seele betrachtend und dann wieder von ferne. Die Gefühlsebenen werden wie auf einer Klaviatur bespielt. Ob es Ekel, Entsetzen, Abscheu, Wut, aber auch Freude, Verlangen, Neugier ist. Kein Buch, dass man eben mal am Strand lesen würde, sondern jetzt, in der kalten Jahreszeit.