Rezension

Verstört, gefesselt, erstaunt, fasziniert – so bleibe ich nach der Lektüre „Bevor wir verschwinden“ zurück

Bevor wir verschwinden - David Fuchs

Bevor wir verschwinden
von David Fuchs

Das Buch polarisiert. Verstört, gefesselt, erstaunt, fasziniert – so bleibe ich nach der Lektüre „Bevor wir verschwinden“ zurück

Die Protagonisten Benjamin und Ambros waren in ihrer Jugend mal ein Paar – und treffen sich Jahre später auf der Onkologie wieder. Benjamin als Assistenzarzt und Ambros als Krebspatient ohne Heilungschancen.

Es ist eine Geschichte des Abschieds. Die Kapitel sind sehr kurz gehalten. Immer wieder sind Kapitel über den Klinikalltag dabei und ich muss zugeben, dass mich das anfangs etwas genervt hat. Aber wahrscheinlich hat der Autor damit versucht, dem Leser etwas Abstand zu der Geschichte von Ambros zu ermöglichen, denn mir ist sie schon mächtig nahe gegangen. Es ist von Anfang an klar, dass Ambros es nicht schaffen wird, sondern dem Tod ins Auge sieht. Das macht auch Benjamin zu schaffen, doch er schafft es, mit Humor und Ablenkung die letzten Tage für Ambros erträglich zu machen. Schwein Adelheid trägt ihres genauso dazu bei wie die Oberschwester Ed und Oberarzt Dr. Pomp.

Dem Autor ist es nicht gelungen, mich von der ersten Seite an zu fesseln, aber er hat es geschafft, dass ich meine anfängliche Denkweise geändert und eine – wenn auch distanzierte – Beziehung zu Ambros aufzubauen. Wunderbar ist, dass der Humor hier nicht zu kurz kommt. Er ist zwar teilweise etwas makaber, aber das lockert die Sache auf und hilft den Protagonisten, würdig mit der ganzen Situation umzugehen.

Der Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ich fand ihn anfangs sehr distanziert, irgendwie nahezu emotionslos. Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass mir die Distanz zur Geschichte ganz gut tut. Der Humor und die Würde der Protagonisten sind wunderbar herausgearbeitet. Das Buch polarisiert, aber es tut gut, es bis zum Schluss zu lesen. Auch nach Beenden des Romans hat er mich noch eine Zeitlang beschäftigt, und das ist es, was gute Bücher ausmacht.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen.