Rezension

Verstrickt in faschistische Spionage

Der Empfänger - Ulla Lenze

Der Empfänger
von Ulla Lenze

Bewertet mit 4 Sternen

Das Bewundernswerteste an der Geschichte über die Verstrickungen des Deutschen Josef Klein in die nationalsozialistischen Kreise in den USA ist Lenzes poetisch-tiefgründige Sprache.

Als Josef Klein in den 20ern des letzten Jahrhunderts nach New York auswanderte, ahnte er sicher nicht, dass er vor Beginn des zweiten Weltkriegs als Funker in die Machenschaften einer deutschen faschistischen Gruppierung gerät. 

Ulla Lenze hat zu großen Teilen den Lebensweg ihres Großonkels verarbeitet und mit einer möglichen biographischen Variante verwoben. In durchbrochener Chronologie begegnen wir ihm in seiner Heimatstadt Düsseldorf, bei der Ankunft in New York, in Gefangenschaft auf Ellis Island, bei der Rückkehr zu seinem Bruder nach Neuss, in Argentinien und Costa Rica.

Der Schreibstil ist, obgleich oder vielmehr weil sehr nüchtern und scheinbar objektiv erzählt wird, hochgradig poetisch. Immerzu kann das Erwähnte interpretiert und beinahe sinnlich erfahren werden, die Erwähnungen einzelner Details geben Informationen über die Beschreibung hinaus (S. 278: „So musste sie ihn nicht in gestreifter Gefängniskleidung sehen, er von Kopf bis Fuß durchgestrichen, die Gitterstäbe noch auf seinem Körper“). Ein weiterer Gewinn sind die tiefen Dialoge. Hier besteht die Chance, zu den Menschen vorzustoßen.

Die wunderbare Sprache ist es, die durch den Roman trägt. Josef Klein wird nicht zum Helden. Niemand wird es. Schwächen dominieren, ob es um ihn geht, seinen Bruder, Freunde. Die Personen distanzieren sich vom Lesenden, somit auch die Geschichte, die seltsam fern wirkt.

Immer wieder wird Klein mit nationalsozialistischem Gedankengut konfrontiert. Der Amerikadeutsche Bund, der Hitlers Ideen in den USA lebt und verbreitet, benutzt ihn für Spionagetätigkeiten. Es ist erschreckend zu lesen, mit welchem Selbstverständnis die verbrecherischen Strukturen aufgebaut und funktional gestaltet waren. Der historische Blick, den der Roman auf dieses so relativ unbeleuchtete Phänomen gewährt, ist so verstörend wie informativ.

Letztendlich muss man sich damit zufriedengeben, nicht wirklich zu Klein vorgedrungen, ihn nicht grundsätzlich verstanden zu haben. 

 

Doch wer sich dem Themenfeld von literarischer Seite annähern möchte, kann hier eine Perle entdecken.