Rezension

Verwirrend und verstörend

Seht, was ich getan habe
von Sarah Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Inhaltsangabe

Ein ungeklärter Mordfall, der bis heute die Gemüter erhitzt

»Vater ist tot!« Zutiefst verstört starrt Lizzie Borden ihren Vater an, der blutüberströmt auf dem Sofa liegt. Auch ihre Stiefmutter wird tot aufgefunden – ebenfalls hingerichtet mit einer Axt. Eindeutige Spuren sind an jenem schicksalhaften Morgen des 4. August 1892 kaum auszumachen, dafür häufen sich die Fragen. Denn während die Nachbarn in Fall River, Massachusetts, nicht begreifen, wie einer so angesehenen Familie etwas derart Grausames zustoßen kann, erzählen diejenigen, die den Bordens wirklich nahestehen, eine ganz andere Geschichte: von einem jähzornigen Vater, einer boshaften Stiefmutter und zwei vereinsamten Schwestern. Schnell erklärt die Polizei Lizzie zur Hauptverdächtigen, deren Erinnerung jedoch lückenhaft ist. Wo war sie zum Zeitpunkt der Morde? Saß sie wie so oft unter den Birnbäumen und träumte vor sich hin? Oder ist sie doch verantwortlich für diesen Albtraum?

 

Meine Meinung

Es war der 4. August 1892 als die 32- jährige Lizzie Borden ihren toten Vater im Wohnzimmer entdeckt. Blutüberströmt liegt er da. Lizzie geht näher, betrachtet seine Leiche, berührt seine blutige Hand. Sie geht langsam und völlig ruhig aus dem Zimmer, schließt die Tür und ruft:

„Schnell! Jemand hat Vater getötet!“ (S. 12)

 

Bereits auf diesen ersten Seiten wird dem Leser durch die eindringlichen Beschreibungen um den Charakter Lizzie Borden klar, dass man es hier mit einer sehr seltsamen Frau zu tun haben.

 

Der historische Name Lizzie Borden und der Fall waren mir natürlich bekannt.

Die Präsenz darum ist meiner Meinung auch heute dank Internet und fachspezifischen Büchern noch immer sehr aktuell.

Allerdings füllte dieser Roman noch einige meiner Lücken zu diesem Fall.

Was wohl ein jeder schon mal gehört oder gelesen hat, ist folgender Abzählreim.

 

Lizzie Borden took an axe
And gave her mother forty whacks.
When she saw what she had done,
She gave her father forty-one

 

Denn im Haus der Bordens wurde an diesem Tag nicht nur eine Leiche entdeckt.

Das Hausmädchen Bridget entdeckt kurze Zeit später im Gästezimmer des Hauses den leblosen Körper von Abby Borden, Lizzie’s Stiefmutter.

 

„Seht, was ich getan habe“ ist der Debütroman der australischen Autorin Sarah Schmidt. In ihrem Roman erzählt sie die Geschichte um den oben genannten Doppelmord aus vier Erzählperspektiven.

Lizzie, 32 Jahre, Tochter des Hauses Borden

Emma, 42 Jahre, ebenfalls Tochter des Hauses Borden

Bridget, 26 Jahre, Hausmädchen der Familie Borden

Benjamin, Bekannter des Onkels der beiden Bordengeschwister

 

Der Roman wird in drei Teile unterteilt und enthält insgesamt 17 Kapitel, welche hauptsächlich den Zeitraum um die Tat behandeln. Als Leser bekommt man sehr viele Einsichten in dem 4. August des Jahres 1892. Aus allen vier Perspektiven beschreibt die Autorin eingehend die Geschehnisse, die Handlungsweisen und die Emotionen einer jeden Figur.

Jedes Kapitel ist durch eine optisch sehr ansprechende Überschrift mit Name der Person und einem Datum versehen.

 

Die Autorin schafft es trotz der Verbindung von historischen Fakten und fiktiven Fakten eine sehr authentische Atmosphäre zu erschaffen. Man erhält sehr detaillierte Einblicke in die handelnden Personen. Sie kann sehr bildhaft das Haus der Bordens und das gesamte Umfeld beschreiben. Und sehr eindringlich und gleichzeitig empfand ich die Beschreibungen um die familiären Verbindungen.

Lizzie Borden war mit Sicherheit keine einfache Persönlichkeit, umso spannender fand ich die Beziehung zu ihren Eltern und ihrer älteren Schwester Emma.

Die besondere und gesonderte Rolle in der Familie nahm eindeutig Lizzie ein.

 

„Sie gab mir dasselbe Gefühl wie Vater, ich schämte mich dafür, was ich war: das ewige Kind.“ (Lizzie, S. 277)

 

„Als ich Lizzie ansah, meine sonderbare, fremde Schwester…“ (Emma, S. 343)

 

Da es ein Debüt ist, fiel mir beim Lesen sofort der besondere Schreibstil auf.

Eine meiner Überlegungen dazu war, ob sich die Autorin ihrer Geschichte mit diesem historischen Aspekt angepasst hat oder ob sie diesen Stil auch bei folgenden Werken einbringen wird. Vor allem die Verwendung von personifizierenden Adjektiven ist mir beim Lesen sehr stark ins Auge gefallen. Für mich eine Seltenheit in letzter Zeit und umso bewegender konnte ich mir die einzelnen Personen situativ vorstellen.

 

Der Mordfall der Eheleute Borden konnte nie geklärt werden.

Lizzie Borden wurde zwar angeklagt und am 5.6.1983 begann die Gerichtsverhandlung, allerdings wurde sie freigesprochen. Lediglich von den Anwohnern der Stadt Fall River wurde sie bis an ihr Lebensende verachtet.

Auch Sarah Schmidt lässt in ihrem Roman alles offen.

Dass sie den fiktiven Charakter Benjamin in die Geschichte eingebracht hat, machte es beim Lesen umso spannender und undurchsichtiger.

Beim Lesen fiel mir durch den Wechsel in der Erzählperspektive immer wieder erst im Nachhinein auf, dass die Autorin immer noch denselben Tag beschreibt.

Dass ihr dies möglich war, lag einer sehr guten Recherchearbeit zu Grunde. Dieser Punkt könnte aber bei einigen Lesern auch eine Langatmigkeit hervorrufen. Dazu schreibe ich im unteren Teil noch ein wenig mehr.

 

Positiv zu erwähnen, ist, dass man zum Ende des Buches noch einen kurzen Einblick in das Danach bekommt. Ein Kapitel bespricht die Zeit 13 Jahre nach den Geschehnissen und die letzten Seiten umfassen eine sehr ausführliche Zeitleiste, die es lohnt, durchgelesen zu werden.

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„Seht, was ich getan habe“ kann ich nicht als leichte Lesekost bezeichnen.

Man muss sich auf die Geschichte und den Schreibstil einlassen können.

Auf einer Seite konnten mich die sehr ausführlichen Beschreibungen den Figuren näher bringen, auf der anderen hätte ich mir manchmal einen ständigeren Wechsel der Sichtweisen gewünscht. Zum einen um die Spannung noch ein wenig zu steigern, zum anderen, weil es manchmal doch schwer war, dem erzählenden Charakter über 30 Seiten lang zu folgen.

Diese Einschätzung ist aber subjektiv. Hier sollte sich jeder Leser seine eigene Meinung bilden.

 

Mein Fazit

Dieser Roman wird mir als sehr bedrückend in Erinnerung bleiben.

Die Autorin setzt hier auf sehr viel kühle Emotionen, die der Fall an sich, aber auch die Charaktere im Buch mit sich bringen. Mit einem sehr speziellen Schreibstil und einer sehr gut recherchierten Geschichte kann sie den Lesern den ungelösten Fall im Hause Borden näherbringen lässt einen jeden mit der Frage zurück, was damals wirklich in Fall River passierte.

Nach diesem eindrücklichen Roman bin ich sehr gespannt, auf weitere Werke der Autorin. Vor allem, ob sie in diesem Genre bleibt oder ob man als nächstes etwas völlig anderes von ihr lesen wird.