Rezension

Verwirrung im Kaff-Flair

Das Kaff - Jan Böttcher

Das Kaff
von Jan Böttcher

Bewertet mit 3 Sternen

"An Erinnerungen hat mich immer genervt, dass man sie nicht beherrschen kann." (S. 100)

So ganz wird man seine Heimat niemals los – diese Erfahrung macht auch Michael Schürtz, der eigentlich keineswegs vorhatte, in das Kaff seiner Heimat zurück zu kehren. Er tut es trotzdem, für einen Job, aber ist das alles, was ihn dort hält?

Obwohl das, was ich als „Kaff“ bezeichnen würde, keine eigene Fußballmannschaft hätte und damit noch um einiges kleiner ist als das Kaff, das in diesem Roman beschrieben wird, konnte ich mich mit dem Titel doch direkt identifizieren. Hier wird genau das eingefangen, was das Gefühl meines Aufwachsens ausmacht und obgleich ich niemals das Bedürfnis hatte, aus der heimeligen Dörflichkeit auszubrechen, konnte ich mich tatsächlich in den Protagonisten Micha, der genau das energisch versucht hat, hineinversetzen.

Als etwas anstrengend habe ich das Geschwisterverhältnis zwischen Micha und seinem Bruder sowie seiner Schwester empfunden. Durch die Perspektive bekommt man nur den Blickwinkel von Micha selbst mit, doch von dort erschien es mir zwischenzeitlich, als ginge das einzige Problem von ihm selbst aus, als provozierte er die Konflikte beinahe vorsätzlich, wenn nicht bewusst, dann doch mindestens unterbewusst. Aber möglicherweise funktionieren alte Beziehungen, in denen eine Menge schiefgelaufen ist, auch einfach so, und am Ende ist keiner alleine verantwortlich.

Vieles an diesem Roman hat mir gut gefallen, auch wenn es mich im Endeffekt nicht auf die Dauer fesseln konnte. Dabei wäre das Potential durchaus da gewesen, da mir sowohl das Setting als auch der Stil und die Atmosphäre gut gefallen haben. Besonders schön fand ich es, das Gefühl zu haben, dass noch viel mehr hinter den alten Geschichten steckt, als wir erfahren. Das gibt dem Ganzen eine Tiefe, die einen nicht unerheblichen Teil des Reizes ausmacht.