Rezension

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Verworrene Fäden und gewiefte Strippenzieher

Im dunklen Nebel - Jürgen Ehlers

Im dunklen Nebel
von Jürgen Ehlers

Im dunklen Nebel ist der mittlere Band einer Trilogie. Nach „Tod von oben“ spinnt Autor Jürgen Ehlers hier die Geschichte rund um Gerhard Prange, den jungen Fallschirmspringer und Sofieke Plet, eine niederländische Jüdin, die unter falschen Namen lebt, in den Jahren 1942-43 weiter. Gerhard Prange ist Deutscher, hat aber in England studiert. Er steht in diesem Krieg nicht auf der Seite seines Vaterlandes. Angeworben vom SOE springt er über den Niederlanden ab und wird geschnappt. Hier verhilft ihm die Bekanntschaft zu Arthur Seyß-Inquart, zu diesem Zeitpunkt Reichskommissar in den besetzten Niederlanden, aus der Patsche und Gerhard wird zum Doppelagenten. Wie schon im ersten Band wird er Teil eines höchst komplizierten Verwirrspiels zwischen Deutschland und England, den Interessen von SS und Wehrmacht, seiner Beziehung zu Sofieke und seinem Entsetzen als er von der Judenvernichtung erfährt. Dazu kommen die Interessen einzelner, die auf welcher Seite auch immer stehend sehr schwer oder gar nicht zu durchschauen sind, die Tatsache, dass Sofieke Kontakte zum niederländischen Widerstand unterhält und die beiden ein kleines jüdisches Mädchen in letzter Sekunde vor der Deportation bewahrt haben und nun verstecken müssen. Soweit die Ausgangssituation. Wesentliches Thema dieses zweiten Bandes ist die Unterwanderung der Widerstandsgruppen in den Niederlanden, die durch immer neue Täuschungen gelingt -  und eigentlich als ständig präsenter Faktor: die unglaubliche Gefahr, die so oft „um Haaresbreite“ noch glückenden Manöver und die generelle Undurchsichtigkeit der Gesamtlage. Gerhard findet zu Ende etwas heraus, dass sicher im Abschlussband der Reihe von immenser Bedeutung sein wird. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass sich die Situation im Ganzen, da die militärischen Erfolge der Wehrmacht Geschichte sind (in den Zeitraum der Romanhandlung fällt die Kapitulation in Stalingrad) zukünftig zuspitzen wird. Die Gefahr wird nicht geringer, in der die Protagonisten schweben – gute Vorzeichen für einen weiteren spannenden Band.

Im dunklen Nebel besticht durch seinen klaren, manchmal nüchternen und berichtenden Stil der Erzählung. Es kommen viele Personen und Institutionen vor, das Register ist hier tatsächlich sehr hilfreich, eine kleine und gute Landkarte ist ebenfalls eingefügt – zumal es sich bei fast allen Personen und Ereignissen um wirklich historische Personen und Fakten handelt. Wird einem das klar, ist man durchaus versucht, noch mehr zu den Hintergründen zu recherchieren als das Buch ohnehin schon sehr gut vermittelt.

Relativ wenig in der Handlung des Buches hingegen tauchte tatsächlich die Liebesgeschichte von Gerhard und Sofieke auf.  Die Beziehung der beiden ist existent, sie gehört zum Gesamtkonstrukt des Plots dazu, aber sie ist nicht Thema des Buches. Eine romantische Liebesgeschichte darf man sich hier nicht erwarten. Da ich den ersten Band kenne, kam dies für mich jetzt nicht unerwartet. Der Fokus ist einfach anders gelagert – und auch das darf man nicht vergessen zu erwähnen, deshalb ist es in meinen Augen auch so spannend. Es geht um einfach viel mehr, als nur die komplizierte Beziehung der beiden.

Man muss sagen, dass im Nachhinein auch der Titel des Buches unglaublich gut gewählt ist. Nicht nur handelt es sich ja um ein dunkles Kapitel der Geschichte, in dem man sich vorsichtig bewegen muss, einfach wenig „Helligkeit“ vorhanden war, sondern auch das gesamte Geflecht von Widerstand, verschiedenen Interessen und Institutionen, Täuschung, Verrat und Gefahr ist so dicht und undurchsichtig - sowohl für viele der Protagonisten als auch den Leser -, dass der Vergleich mit einer dunklen undurchdringlichen Nebelwand äußerst gut passt.

Fazit: kurzweilig und spannend, historisch und mit immensem Rechercheaufwand geschrieben. Die Kenntnis des ersten Bandes ist sicher hilfreich, aber keine Voraussetzung. Klare Leseempfehlung.