Rezension

Verzweifelter Lebens- und Liebesroman

Giovannis Zimmer - James Baldwin

Giovannis Zimmer
von James Baldwin

Bewertet mit 5 Sternen

In den 1950er-Jahren in Paris lernt der Amerikaner David den charismatischen Giovanni kennen. Sie beginnen eine Affäre, die in einem Unglück enden wird.

„Giovannis Zimmer“ ist ein dramatischer Roman über Verlangen und verzweifelter Liebe, der im Paris von 1950 spielt. 

David ist Amerikaner im Paris der 1950er-Jahre. Er genießt den französischen Flair, flirtet mit dem Ambiente der Stadt und lässt sich durch die betörende Atmosphäre treiben.

In einer Bar begegnet er Giovanni und es knistert auf den ersten Blick. Rasch wickelt er den selbstbewussten, attraktiven Kellner um den Finger, und eine verheißungsvolle Affäre nimmt ihren Lauf.

Schon zu Beginn ist deutlich, dass diese Romanze keinesfalls Davids Vorstellungen einer amourösen Beziehung entspricht. Er ist verlobt, sehnt sich nach dem Leben an der Seite einer Frau, und träumt von einer Familie mit Kindern, was im Gegensatz zu seinem Verhalten sowie Verlangen steht. 

David merkt, dass dieser Lebenstraum sein Traum von einem Traum ist. Tatsächlich sehnt er sich nach Giovannis festen Griff, den zärtlichen Eskapaden und betörenden Stunden, wenn sie gemeinsam in seinem Zimmer sind. 

James Baldwin schrieb diesen Roman in einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Liebe ein radikales Tabuthema war. Homosexualität steht teilweise unter dogmatischen Strafen, die Gesellschaft verschließt davor die Augen und die Szene zwinkert sich schelmisch zu, während sie hinter vorgehaltener Hand ihren Vorlieben frönt.

Es ist der Nährboden für Scham, Selbstverleugnung und emotionalem Missbrauch, dem David und Giovanni hoffnungslos ausgeliefert sind. 

Neben diesem Tabubruch, der Darstellung gleichgeschlechtlicher Sehnsucht, zärtlicher Gefühle und dem unstillbaren Wunsch nach einem gemeinsamen Fortbestehen, explodiert die Geschichte in einer verstörend-intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Wesensart. 

Baldwin schildert die innere Zerrissenheit seiner Figur David. Der Amerikaner ist letztendlich auf der Flucht vor sich selbst und hat sich dazu nach Paris verirrt. Während er seine Verlobte in Spanien auf Abstand hält, gibt er sich seinem wahren Wesen hin, ohne für sich selbst einzustehen. Scham, Reue und Verlangen zerren an seiner Seele, die nach und nach in einem gnadenlosen Fiasko untergeht. 

Für mich als Leserin ergab sich daraus eine herzzerreißende Erfahrung. Davids Gefühle schwappen über, er verliert den Boden und findet keinen Halt. Am liebsten hätte ich ihm seine eigene Verleumdung ins Gesicht geschmissen, ihn an der Hand gepackt und ihn in Giovannis Zimmer geführt.

Es bleibt eine beklemmende, wehmütige und verzweifelte Liebe, die sich ihrer selbst schämt und mir als intensive, ergreifende Geschichte im Gedächtnis bleibt.