Rezension

Viel Atmosphäre, spannende Story

Kalte Asche - Simon Beckett

Kalte Asche
von Simon Beckett

Bewertet mit 4 Sternen

Den Toten ihre Geheimnisse entlocken

„Ich hatte an genügend Brandermittlungen teilgenommen, um sehr genau zu wissen, was sie bedeuteten. Das Feuer war kein Unfall gewesen. Und dann kam mir ein noch schlimmerer Gedanke, einer, den ich bisher nicht einmal in Erwägung gezogen hatte.“

 

Inhalt

 

Der forensische Anthropologe David Hunter wird in seinem zweiten Fall auf die schottische Insel Runa berufen, um den dortigen Ermittlern Unterstützung zu gewähren, da es der übergeordneten Polizeibehörde auf dem Festland nicht möglich ist, ein komplettes Spurensicherungsteam loszuschicken.

Etwas widerwillig beginnt er mit der Arbeit an einer bis Unkenntlichkeit verkohlten Frauenleiche, die in einem alten Cottage gefunden wurde, welches vom Einsturz bedroht ist. Tatsächlich gelingt es ihm mittels Zahnüberprüfungen die Identität der Toten festzustellen, doch die Frau war eine Prostituierte, die mit der Insel selbst anscheinend nur in loser Verbindung stand. Immer mehr beschleicht David aber der Verdacht, dass der Täter unter den Bewohnern von Runa zu finden ist. Denn die zwischenmenschlichen Beziehungen sind alles andere als nett, außerdem sind es die Bewohner gewöhnt, unter sich zu bleiben und Fremden keinen Einblick in ihr Leben und ihre Geheimnisse zu gewähren. Der Grat zwischen Aggressionen und Leidenschaften ist sehr schmal, jeder könnte ein Motiv haben. Als kurze Zeit später die zweite Brandleiche gefunden wird, diesmal der junge Coroner der Polizei, der die Überreste der ersten Leiche bewachen sollte, wird deutlich, dass auf Runa ein Mörder zu Hause ist, dem es missfällt, dass David Hunter seinen Machenschaften zu nah gekommen ist …

 

Meinung

 

Dem englischen Autor ist mit seiner Reihe über den stillen, eher unbeteiligten Anthropologen David Hunter eine sehr atmosphärische, detaillierte Kriminalgeschichte gelungen, die in erster Linie durch ihr Setting besticht und die leise, bedrohliche Gefahr hinter der Fassade der Menschen. Er setzt sich intensiv mit sämtlichen Beziehungsmustern der handelnden Personen auseinander und erweckt damit den Eindruck, dass man selbst Teil der Geschichte ist und meint, die Protagonisten zu verstehen und ihre Handlungsmuster nachvollziehen zu können. Doch immer wieder nimmt die Spannung zu, da Andeutungen bald schon zu Gewissheiten werden und sich Grundsätzliches als vollkommen falsch entpuppt. Eine äußerst interessante Variante, die durch die eher klassische Erzählweise sehr gut unterstützt wird.

 

Fazit

 

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen gelungenen Kriminalroman, der ein schaurig-schönes Intermezzo auf einer sturmgepeitschten, von der Außenwelt abgekapselten Insel thematisiert und mit zahlreichen unvorhersehbaren Wendungen besticht.

Der Fokus der Erzählung liegt weniger auf einem actionreichen Handlungsverlauf, als vielmehr auf den Geheimnissen einzelner Personen, die alle in einer unerwarteten Verbindung zueinander stehen und weit mehr füreinander sind als die Nachbarn einer kleinen Gemeinde. Die Tötungsdelikte an sich, die sich hier größtenteils auf die Verbrennung von Leichen beschränken fand ich etwas einseitig, zumal ein Forensiker aus der kalten Asche weniger Spuren verwerten kann als aus der natürlichen Verwesung des menschlichen Körpers, deshalb kam hier die medizinische Komponente für meinen Geschmack etwas zu kurz. Wer intelligente, differenzierte Kriminalromane mag, kommt hier aber voll und ganz auf seine Kosten, deshalb mein Gesamturteil: empfehlenswert.