Rezension

Viel Drama und überzeichnete Charaktere

Silent Victim - Caroline Mitchell

Silent Victim
von Caroline Mitchell

Bewertet mit 3 Sternen

Caroline Mitchell hat eine durchaus spannende Geschichte geschrieben - mit vielen Wendungen, die manchmal tatsächlich überraschten und manchmal an den Haaren herbeigezogen waren. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Und wer glaubt wem? Hier gab es ein paar Überraschungen, die für einen recht guten Spannungsaufbau gesorgt haben. Aber der richtige Thrill, den ein Thriller durchweg haben sollte, hat mir gefehlt.

Die Geschichte wird erzählt aus den Perspektiven von Emma, ihrem Mann Alex und ihrem ehemaligen Lehrer Luke, teilweise in Rückblicken. Emmas Geschichte empfinde ich als größtenteils gut getroffen. Die Autorin zeigt anschaulich, wie Emma nach dem Missbrauch durch ihren Lehrer leidet, wie die Erfahrung ihr Leben Jahre später noch beeinflusst und wie sie auch an sich selbst zweifelt. Komplett konnte mich der Thriller aber leider nicht überzeugen. Die Charaktere und ihre Handlungen sind teilweise überzeichnet, besonders Luke ist ein ziemlich extremer Charakter, aber auch Emma trifft merkwürdige Entscheidungen und irgendwie führt alles immer zu einer Unmenge überflüssigem Drama. Emmas Mann Alex habe ich wiederholt als zu kontrollierend seiner Frau gegenüber empfunden - selbst bevor Emma durch ihr Verhalten beispielsweise ihren gemeinsamen Sohn in Gefahr bringt, kann er ein egoistisches Arschloch sein. Direkt am Anfang sucht er etwa Verkäufer für ihr gemeinsames Haus, in dem Emma aufgewachsen ist, ohne seine Frau auch nur darüber zu informieren, und zwingt ihr damit den Umzug nach Leeds auf. Dabei rechtfertigt er sein Handeln immer damit, dass er ihr ja auch was Gutes tut. Damit nimmt er ihr aber die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens. Und ein Mann, den es ernsthaft schockiert, dass seine Frau vor ihm möglicherweise mit einem anderen geschlafen hat, lebt im falschen Jahrhundert.

Auch sprachlich haben sich viele Klischees eingeschlichen. Da riecht jemand "wie ein frischer Pfirsich an einem warmen Somemrtag", jemand fühlt sich von einer Person "angezogen wie eine Motte von der Flamme" oder es wird jemand getröstet mit den abgegriffenen Worten "Alles wird gut. Wir werden das hinkriegen, das verspreche ich." Das liest sich teilweise holprig. Generell hätte es der Geschichte gut getan, wenn sie gekürzt worden wäre. Das Thema ist wirklich wichtig, hätte für meinen Geschmack aber besser umgesetzt werden können.