Rezension

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Viel Gewese um ein Pony und flache, vorhersehbare Beziehungskiste

Im Schatten das Licht - Jojo Moyes

Im Schatten das Licht
von Jojo Moyes

Achtung! Nicht ohne saugfähige Unterlage lesen. Der Schmalz tropft nur so raus.

Natasha und Mac leben in Scheidung und Sarah mit ihrem Großvater zusammen. Mac ist ein sexy Fotograf, Natasha eine angespannte, karrierebewusste Anwältin, Sarah ein eigenwilliger Teenager und der Großvater ein ehemaliges Mitglied der französischen Elite-Reitschule Cadre Noir, der nicht so viel Glück im Leben hatte. Sarah und ihr Großvater halten ein superduper Pferd in einem Londoner Hinterhofstall, der von schrulligen Gestalten frequentiert wird, die nicht alle nur Gutes im Schilde führen.

Als Sarahs Großvater im Krankenhaus landet, kreuzen sich Sarahs und Natashas Wege, und Sarah darf, weil Natasha eine rührselige Ader in sich entdeckt und Natasha und Mac wegen ihres Bezieungsstatus ein wenig flunkern, bei den beiden einziehen, weswegen Natasha und Mac nicht nur das Zusammenleben mit einem renitenten Teenager, sondern auch miteinander improvisieren müssen. Beide haben nämlich mittlerweile wieder andere Liebschaften, zu denen sie weder richtig stehen noch sich von ihnen trennen mögen.

Sarah erzählt Natasha und Mac nichts von ihrem Pferd und schwänzt immer wieder die Schule, um Zeit im Stall zu verbringen. Das gibt Stress mit dem Jugendamt und zu Hause. Zu allem Unglück gibt auch noch der wohlgesinnte und langjährige Stallbetreiber Cowboy John den Stall an einen dubiosen Malteser ab, der Sarah wegen der Boxenmiete auf den Leib rückt - im übertragenen wie im konkreten Sinne. Schließlich weiß Sarah sich nicht anders zu helfen, als mitsamt ihrem Pferd abzuhauen - filmreif mit einem ordentlichen Satz über ein fahrendes Auto und mit Ziel Frankreich, weil ihr Großvater behauptet hat, sie hätte das Zeug, Elevin im Cadre Noir zu werden.

Unnötig zu erwähnen, dass sie es allen Widrigkeiten zum Trotz bis nach Frankreich schafft, sonst wäre das Buch ja schnell wieder vorbei. Natasha, Mac und Cowboy John verfolgen sie eine launige Autofahrt durch England und Frankreich lang, zwischenzeitlich stirbt der Großvater, Natasha und Mac fallen abgekämpft und betrunken übereinander her, und irgendwie trudeln alle dann mehr oder weniger ramponiert - Sarah und das Pferd blut- und matschverschmiert nach einem Sturz, Natasha mit verkrumpelter Bluse und verschmierter Maskara, die Menschen stecken halt unterschiedlich viel weg - beim Cadre Noir ein, um zuzuschauen, wie Sarah und ihr Hinterhof-Pony-goes-große-Reitschule einem großen Rittmeister was vorführen.

Obwohl nicht gänzlich talentfrei, darf sie nicht bleiben, bittet drum, ihr Pferd dalassen zu dürfen, damit es der böse Malteser nicht bekommt, lässt es dann doch nicht da - natürlich, sonst wär das Buch ja doof! -, reist mit Natasha und Mac zurück nach England, wo Sarah bei den beiden einziehen darf, die nun auch wieder richtig zusammenziehen - ach, welche Überraschung! - und neben Sarah nun auch noch ihr eigenes Kind großziehen - etwas, was vorher nie geklappt hat und was ein Teil des Ehestresses war, was in der abgekämpften, betrunkenen Nacht dann doch plötzlich geklappt hat. Eiei, wer hätte das gedacht!

Ein seichter, vorhersehbarer Roman mit gänzlich unklarer Zielgruppe: Die Pferdestory ist so dominant und rührselig wie eigentlich nur in den schlimmsten Mädchen-rettet-Pony-vor-Schlachthof-Romanen, die man mit zwölf zu lesen aufhört. Dazu kommt eine aufgebauschte, vorhersehbare Beziehungskiste mit Erwachsenenproblemen, die pferdebegeisterte Mädchen wohl kaum interessiert. Wie man’s dreht und wendet - was die einen lesen möchten, interessiert die anderen nicht und umgekehrt. Die Autorin hat sich wohl sehr intensiv mit der klassischen Dressurreiterei auseinandergesetzt; jedem Kapitel steht ein Zitat aus Xenophons Werk “Über die Reitkunst” voran. Das ist auch in Reiterkreisen nur was für Hartgesottene und gibt dem ganzen nochmal einen extra bemühten Anschein bzw. denjenigen, die damit nichts anfangen können, in jedem Kapitel von neuem ein vages Gefühl der Ratlosigkeit. Obwohl man der Autorin eine gewisse Pferdekenntnis nicht absprechen kann, sind ihr doch einige grobe Schnitzer unterlaufen, z.B. wird erwähnt, das Pferd habe beim Vortanzen beim großen Rittmeister verbundene Knie. Man kann einem Pferd nicht die Knie verbinden. Die Knie sitzen oben an den Hinterbeinen. Wenn man die einbinden will, muss man das ganze Hinterteil einbinden.

Diese Szene beim großen Rittmeister ist unglaublich gestellt und aufgebauscht - alle haben sich unter Einsatz ihrer Karriere und ihres Lebens - oder wenigstens ihrer gebügelten Kleidung - bis hierher durchgekämpft; endlich darf Sarah zeigen, was sie kann; alle verfallen in ehrfurchtsvolles Schweigen angesichts der Leistung, die eine durchgenudelte Vierzehnjährige auf einem verletzten Pferd zeigt. Sie glaubt sich am Ziel des großen Traums, den ihr Großvater für sie hatte, um sie, sich selbst, ihr ganzes verpfuschtes Leben wieder ins Lot zu bringen. Und dann schmettert der Rittmeister ihren großen Traum mit einem einzigen “non” ab. Warum? Weil man Französin und mindestens 17 sein muss, um in der Reitschule mitmachen zu dürfen. So borniert sind die sicher nicht beim Cadre Noir, dass sie sich eine passable Leistung eines hoffnungsfrohen Teenagers anschauen und nichts als ein “non” dafür übrig haben. Das kann man ja gleich mal sagen, dass das Mädel zu jung ist, noch bevor sie anfängt. Aber ist natürlich gut für die Dramatik - steigern, steigern, steigern, bis Sarahs triumphaler Sieg unabwendbar, ja ein Naturgesetz zu sein schein, um dann alles in einem einzigen Wort abzuschmettern (um es dann später zu relativieren). Was für ein Käse!

Der Roman vermeidet es peinlichst, irgendwelche unpopulären Entscheidungen zu treffen. Zwar entwickeln sich alle möglichen Ereignisse teils überaus möchtegern-dramatisch, lösen sich dann aber doch immer (und nicht immer sehr wahrscheinlich) in Wohlgefallen auf. Bloß nichts geschehen lassen, was die Leserin nachhaltig vor den Kopf stoßen könnte. Sogar Natasha, die in ihrer Karriere als Anwältin wohl mal eine folgenschwere Fehlentscheidung getroffen hat, die sie sich immer wieder vorhält, wird im richtigen Moment erlöst: Wer hätte gedacht, dass es zwei Übeltäter mit demselben Namen gibt und der eine, dem Natasha geglaubt hat, gar nicht so übeltäterig ist und sie ihrer Menschenkenntnis nun also doch wieder trauen kann.