Rezension

Viel Stoff zum Nachdenken nach hervorragender Unterhaltung. Von dieser Autorin würde man gerne mehr lesen

Die Lügnerin
von Ayelet Gundar-Goshen

Bewertet mit 5 Sternen

Ayelet Gundar-Goshen, Lügnerin, Kein & Aber 2017, ISBN 978-3-0369-5766-1

 

Dieser Debütroman der studierten Psychologin Ayelet Gundar-Goshen wurde in ihrem Heimatland Israel mit den Sapirpreis für das beste Debüt Israels verdientermaßen ausgezeichnet.  Die Autorin verbindet in diesem Roman mit dem Titel „Lügnerin“ ihre psychologische Kompetenz mit ihrem literarischen Talent und beschreibt in vielen Facetten, was eigentlich geschieht, wenn im Leben von Menschen ein vorübergehendes Missverständnis zu einer veritablen Lüge wird, die dann wie ein Geschwür ihre Wirkung entfaltet.  Was passiert mit den Menschen, die die Lüge kolportieren, und was mit denen, die unter der Lüge zu leiden haben?

 

Der Roman erzählt die Geschichte der Schülerin Nuphar, die durch ein Ereignis ganz plötzlich aus ihrem bisherigen Leben geschleudert wird. Sie jobbt in den Sommerferien in einer Eisdiele, als eines Tages ein von der Öffentlichkeit schon lange vergessener Showstar (Avischai Milner war Sieger des israelischen Superstarcontests) sie verbal angreift, weil er sich nicht schnell genug bedient sieht.  Frustriert über sein Schicksal macht er Nuphar nieder.  Der Vorfall hat Zeugen. Zeugen allerdings, die ihn als versuchte Vergewaltigung werten und publik machen. Nuphar  macht vom ersten Moment an bei dieser Inszenierung mit und kommt über die ganze Geschichte hinweg nicht mehr davon los.

 

Innerhalb kürzester Zeit beginnt die Medienmaschine zu laufen. Der Showstar wird verhaftet und vorverurteilt, Nuphar wird zum im ganzen Land gefragten Medienstar mit zahlreichen Auftritten in Talkshows. Sie genießt diesen Zustand durchaus, spürt aber auch, was diese Lüge mit ihr macht.

 

Ayelet Gundar-Goshen zeigt in etlichen Nebengeschichten, dass Nuphar nicht allein ist mit ihrer Lüge, sondern dass viele andere Begebenheiten sich der hartnäckigen Wirkung von Lügen verdanken.

 

„Lügnerin“ ist eine feine und klug komponierte Geschichte menschlichen Handelns und seiner Abgründe, die den Leser an vielen Stellen sehr direkt zu einer eigenen Position herausfordert.  Wer hat Recht, wer hat Unrecht? Welches Handeln ist vertretbar, welches nicht? Was rechtfertigt eine Lüge? Wohin führt sie? Gibt es einen Ausweg?

 

Viel Stoff zum Nachdenken nach hervorragender Unterhaltung. Von dieser Autorin würde man gerne mehr lesen.