Rezension

Vielversprechende Story, schwieriger Sprachstil

Der Abgrund in dir - Dennis Lehane

Der Abgrund in dir
von Dennis Lehane

Die einst erfolgreiche Journalistin Rachel Childs durchlebt eine schwere Lebenskrise, als sie bei einer Live-Berichterstattung vor laufender Kamera einen Panikanfall bekommt, daraufhin Job und Ehemann verliert und sich immer mehr zurückzieht. Sie verlässt kaum noch das Haus, schottet sich ab und lässt sich von ihren Ängsten überwältigen. Doch ganz unten trifft sie zufällig eine alte Bekanntschaft wieder: Den gutaussehenden Brian Delacroix, der ihrem Leben wieder Halt und Stabilität gibt. Die zwei gehen eine Beziehung ein, heiraten, und Brian tut alles um Rachel zu unterstützen. Die Beziehung scheint perfekt - doch alles Vertrauen in Brian gerät ins Wanken, als sich die Indizien häufen, dass Brian Geheimnisse hütet, Geheimnisse, die bald blutige Konsequenzen haben. Wer ist Brian wirklich und was versteckt sich hinter seinen Lügen?

Der Autor Lehane kreiiert sehr gekonnt eine düstere, pessimistische Atmosphäre, werden doch besonders auf den ersten paar hundert Seiten besonders die Schwächen der Hauptfiguren, etwa das problematische Mutter-Tochter-Verhältnis der Protagonistin thematisiert. Auch die psychischen Probleme der traumatisierten Rachel kommen voll zur Geltung: Ihre Furcht, vor die Tür zu gehen, ihre labile Psyche, all die Kleinigkeiten, die sie aus der Bahn werfen.

Zuweilen fehlt es aber Lehanes Roman meiner Meinung nach an charakterlichem Tiefgang: Beschrieben werden die Figuren rational und nüchtern, wirken dadurch unnahbar und unpersönlich. Eine richtige Bindung konnte ich erst nach den letzten Kapiteln zu den Hauptcharakteren aufbauen. Eher schwierig einzuordnen ist für mich auch Lehanes Ansatz, beinahe Rachels ganzes Leben auf über 500 Seiten nacherzählen zu wollen. Ein Fokus auf die wirklich wichtigen Episoden hätte hier vermutlich genügt, anstatt im Zeitraffer durch die Jahrzehnte zu springen. So wirkt das Buch stellenweise langatmig, der Leser erhält hunderte eher unwichtige Detailinformationen, und die Spannungskurve rutscht nach unten. Gegen Ende hat das Buch jedoch nochmal einiges wettgemacht: Die Handlung nimmt rasant an Fahrt auf, die Charaktere beweisen sich und Lehane hat ein paar unvorhergesehene Twists auf Lager. Trotzdem: Es dauerte, bis ich mich mit dem Buch anfreunden konnte.