Rezension

Vier Frauen, vier Schicksale und doch hängt alles zusammen.

Töchter einer neuen Zeit - Carmen Korn

Töchter einer neuen Zeit
von Carmen Korn

Bewertet mit 5 Sternen

Begeisterung pur – das hat dieser Roman in mir ausgelöst und so ist es nicht verwunderlich, dass ich die gut 540 Seiten in nur knapp anderthalb Tagen gelesen habe. Aufhören war nicht möglich, ich wollte einfach wissen wie es weitergeht mit Henny, Käthe, Ida und Lina. Vier Frauen, die zunächst nichts eint außer dass sie alle nicht weit von einander „auf der Uhlenhorst“, wie es in Hamburg heißt, leben. Und alle eint auch ein Hunger nach Liebe und Leben, nachdem sie gerade einen bösen Weltkrieg überstanden haben.
Der Roman beginnt im März 1919, Henny und Käthe beginnen gerade ihre Hebammenausbildung an der Frauenklinik Finkenau, Lina ist Grundschullehrerin und hat sich der Reformpädagogik verschrieben, Ida schließlich ist Tochter aus gutem Hause, ohne Beruf und Ausbildung, aber stets besorgt, dass sie ihr sehr angenehmes Leben aufgeben muss.
Der Roman endet im Dezember 1948 und damit nach einem zweiten verheerenden Krieg, den keine der Frauen so noch einmal erleben wollte. Aber – sie wurden nicht gefragt. Sie konnten nur in ihrer politischen Einstellung gegen die Nationalsozialisten und Hitler aufbegehren oder auch nicht, das Aufbegehren aber wurde von Jahr zu Jahr gefährlicher. Wem konnte man noch trauen, den Freunden, den Kollegen, der Familie?
Als Leser erlebt man diese Jahre beinahe hautnah mit, so sehr kann man sich mit diesen Hauptfiguren identifizieren, wobei sicherlich jeder Leser die Schwerpunkte anders setzt. Sicherlich auch in Abhängigkeit zur eigenen Entwicklung in der Kindheit und Jugend und dem Umfeld, in dem man groß und zum Erwachsenen wurde. Aber eine ganze Reihe der anderen Figuren im Umfeld der vier Frauen verdienen ebenso unseren Respekt, haben sie doch in entscheidenden Situationen Mut und Menschlichkeit bewiesen. Es gibt aber auch jene, vor denen man sich in Acht nehmen musste und die unterschiedlichen politischen Positionen prallten selbst innerhalb der Familien aufeinander.

Die einzelnen Episoden sind teilweise sehr kurz gehalten, woran man sich anfangs ein wenig gewöhnen musste, aber im Verlauf der Geschichte fand ich diesen Schreibstil sehr passend für dieses Buch. Die zum Teil zeitgleichen Entwicklungen und Ereignisse, die Wechselwirkungen der Ereignisse auf die verschiedenen Personen und die immer enger und bedrückender werdenden Einschränkungen im Alltag werden dadurch in einer Form für den Leser greifbar, wie ich es bisher nur selten in Büchern gefunden habe, die diese Zeitspanne beschreiben.

Gäbe es mehr als 5 Sterne, dieser Roman bekäme von mir noch mehr als diese absolute Leseempfehlung. Das Buch ist der erste Band der „Jahrhundert-Trilogie“, der zweite Band ist kürzlich erschienen. „Zeiten des Aufbruchs“ beginnt 1949 und reicht bis in die sechziger Jahre. „Wirtschaftswunder, Rock 'n' Roll, Cocktailpartys“ – ich freu’ mich drauf.