Rezension

Vier mutige Männer

Frei wie die Vögel - Ann-Helena Schlüter

Frei wie die Vögel
von Ann-Helena Schlüter

Bewertet mit 5 Sternen

„...Unser Krieg ist gut. Es geht um Säuberung, um Reinigung, um die dringende Reinhaltung des Blutes! Alles ,was rein ist, tut auch Ihnen gut!...“

 

Am 10. November 1943 werden vier Männer aus Lübeck hingerichtet. Drei von ihnen sind katholische Geistliche, der vierte gehört der evangelischen Kirche an. In dem Buch erzählt die Autorin das Geschehen der Jahre 1941 bis 1943 in einer spannenden Romanhandlung.

Nach einem Vorwort von Prof. Heike Henning erläutert die Autorin im Prolog, was sie bei der Recherche zum Buch erlebt und erfahren hat. Dann folgen kurze Biografien von Johann Prassek, Eduard Müller, Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink.

Anschließend beginnt die eigentliche Romanhandlung. Dabei fallen zwei Dinge besonders ins Auge. Die einzelnen Kapitel sind nicht chronologisch aneinandergereiht und der Schriftstil variiert zum einen für die Person, aber auch für den Inhalt.

Jedes Kapitel beginnt mit zwei Originalzitaten und der Datumsangabe. Das Eingangszitat bezieht sich auf Eduard. Vertreter des Staates versuchen, ihn als Jugendleiter für die Hitlerjugend zu gewinnen. Er lehnt ab.

Ganz anders klingt es, wenn die Autorin mich an den Gedanken von Hermann Lange in seiner Zelle teilnehmen lässt.

 

„...Die weißen Stunden bewegen sich langsam und leise, wie auf Zehenspitzen oder mit geräuschlosen, dicken Pantoffeln. Als wären meine Ohren mit Watte verstopft. Ich höre die Stille und höre mein Herz. Ich atme. Ich lebe...“

 

Die Autorin gestaltet den Roman wie ein Musikstück oder ein Gemälde. Sie blättert immer andere Facetten des Geschehens auf. Einmal gibt es tiefgehende Diskussionen der Männer in der Küche des Pfarrhauses. Im nächsten Moment unterhält sich Johannes mit polnischen Zwangsarbeitern und bringt ihnen Essen, obwohl das verboten ist. Ab und an machen sie wohlmeinende Gemeindemitglieder auf die Gefahren aufmerksam. Manchmal gehen die Gedanken der Vier zurück in die Vergangenheit. Ich erfahre Ereignisse aus der Kindheit und dem Studium.

Häufig wird der christliche Glaube den Glaubenssätzen des Naziregimes gegenübergestellt. Dabei stellt sich heraus, dass das Gift der neuen Ideologie bis in die eigene Gemeinde reicht. Ein Gedanke Johannes` ist auch heute wieder aktuell:

 

„...Man konnte doch sein Land lieben und dennoch oder gerade deswegen gastfreundlich sein...“

 

Nach der Bombardierung Lübecks und der Wende im Krieg wird es für die vier Männer lebensgefährlich. Sie werden zeitgleich verhaftet. Der Prozess ist eine Farce. Letzterer ist zwar nicht Thema des Buches, wird aber durch den Aussagen der Rechtsanwälte und die Gedanken der Inhaftierten mehrmals angesprochen. Sehr behutsam gibt die Autorin die letzten Stunden wieder. Es ist eine Zeit der Hoffnung, aber auch der Angst, nicht der Angst vor dem Tod, denn mit dem Leben hier auf Erden haben sie abgeschlossen, aber der Angst vor dem Moment des Sterbens.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin hat damit vier Männern ein Denkmal gesetzt, die bereit waren zu ihrem Glauben und ihrer Menschlichkeit auch in finsterer Zeit zu stehen.