Rezension

"Vier Sterne?" Glut: "Drei." "Na komm, vier..." Glut: "DREI!"

Heartless, Band 1: Der Kuss der Diebin - Sara Wolf

Heartless, Band 1: Der Kuss der Diebin
von Sara Wolf

Bewertet mit 3 Sternen

Immer diese Bücher, bei denen man nicht recht weiß, ob der Daumen nach oben oder nach unten geht. Der Trilogie-Auftakt „Heartless – Der Kuss der Diebin“ fällt für mich mal wieder in die Kategorie „ja-nein-vielleicht“. An und für sich eine nette Geschichte. Wenn auch sehr voraussehbar. Aber der Ton... ist speziell.

Zera ist eine Herzlose. Was nicht bedeutet, dass sie kaltherzig ist. Sie hat im wörtlichen Sinne kein Herz. Dieses befindet sich im Besitz der Hexe Nightsinger, die auf diese Weise Macht über Zera ausübt. Als sich neue Kämpfe zwischen Menschen und Hexen abzeichnen, bittet Nightsinger Zera im Austausch für ihr Herz, das Herz von Prinz Lucien zu stehlen – wieder im wörtlichen Sinne. Denn der Prinz soll als Geisel der Hexen dazu dienen, den Krieg zu verhindern. So wird Zera als Frühlingsbraut an den Hof des Königs geschickt, um die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich zu ziehen und schließlich dessen Herz herauszuschneiden.

So düster, wie sich das anhört, ist es dann nicht. Obwohl es ein paar fantastische Elemente gibt, steht der gesellschaftliche Konflikt (Hexen versus Adel/Wissenschaft) im Mittelpunkt. Für mich hätte es ruhig gruseliger, magischer und märchenhafter sein dürfen. Stattdessen werden schnell ein paar genretypische Motive aufgefahren. Allen voran die (Insta-Lovestory) zwischen Zera und Lucien (= Obsidianaugen, schwärzer als schwarz) sowie einige oberflächlich beschriebene Fantasiewesen. Setting und Vorgeschichte der Kriege bleiben fragmentarisch, sind jedoch leicht zu erfassen.

Mit einigen Intrigen und Geheimnissen gewürzt, sympathischen Charakteren und einem ordnungsgemäß fiesen Antagonisten stimmen die Grundzutaten trotzdem weitestgehend. Jetzt nun mein Aber:

Sara Wolf versucht, der Geschichte eine jugendliche Note zu verpassen. Das funktionierte für mich bedingt. Nichts gegen moderne Sprache, aber an manchen Stellen war mir die Ausdrucksweise zu plump. Und da spielte Protagonistin Zera ganz vorne mit. Sie schnoddert sie sich für meine Begriffe ein bisschen zu teeniehaft durch die Handlung. Und vernichtet durch ihre ständigen Witzeleien auch gleich den einen oder anderen emotionalen/dramatischen/knisternden Moment, in dem Ernsthaftigkeit eher angebracht gewesen wäre, als eine naseweise Bemerkung.

    „Lady Zera!“, bellt Lucien, ohne sich zu mir umzudrehen. „Geht, jetzt.“
    „Und lasse Euch mit diesem ranzigen Hundearsch allein zurück? Ganz bestimmt nicht.“ S. 290

Die Wortduelle zwischen Lucien und Zera hätten soviel amüsanter sein können, wenn Zera eine Spur mehr Smartness an den Tag gelegt hätte (oder der Prinz weniger langweilig gewesen wäre?). Zeras einzige Antwort, die ich wirklich clever fand, hatte leider auffallend starke Ähnlichkeit mit einem Satz aus dem Märchen „Der Salzprinz“.

Das Kontrastprogramm zu Zeras „lustigen“ Frotzeleien, war ihre innere Stimme, der rücksichtslose Teil ihrer Persönlichkeit, der im Text fett gedruckt wird und zu meinem Leidwesen gegen Ende stark überhand nahm. „Töte ihn“ – „Nein, ich kann nicht“ – „Tu es“ – „Bitte. Nein“. In meinen Augen fanden die beiden Stimmen (die nach außen hin freche und die innere böse) nicht zu einem echten, spürbaren Konflikt zusammen. Sie standen irgendwie abgekoppelt nebeneinander, als würde sich permanent eine fremde Person ins Gespräch bzw. die Handlung einklinken. Das auch viel zu oft. Besonders auf den letzten Seiten wuchs sich die „Glut“ (so der Name der Stimme) zu einem anstrengenden Hin und Her aus.

Positiv zu erwähnen wäre, dass Zera nicht gleich bei der ersten Begegnung mit dem Prinzen alle Gehirnzellen wegschmelzen. Sie hat ihren eigenen Kopf. Das ist toll!

Unterm Strich ist „Heartless“ jugendliche Fantasy, die für mich im Großen und Ganzen okay war. Der lockere Stil in Kombination mit der interessanten Idee sorgt für einige Stunden Kurzweil. Wer viel im Genre liest, wird nicht viele Überraschungen erleben. Zeras Art bleibt Geschmackssache. Schön, dass sie einen eigenen Kopf hat. Ihre flapsigen Sprüche empfand ich oft als gezwungen-lustig und insgesamt als seltsamen Widerspruch zu ihrer inneren, boshaften Stimme, die sich gegen Ende in einen ordentlichen (und sehr anstrengenden!) Redeschwall hineinsteigerte.

Kommentare

E-möbe kommentierte am 24. Februar 2019 um 13:36

Haha. Wieder mal fast dieselbe Rezension, wobei ich wohlwollender gepunktet habe. :D

Aber ich bin auch ein Fan von Luciens Leibwächter. Den finde ich echt cool.

Hast du dich auch gefragt, ob das ein Plothole ist oder ob der Schurke mit dem roten Turm nur alle besch...? Ich meine, wenn Luciens Familie alle Hexen sind (scheinbar ja, er hat ja mal eben den Leibwächter von den Toten zurückgeholt), dann müsste der Turm doch ständig durchdrehen, wenn "Whisper" unterwegs ist?

lex kommentierte am 24. Februar 2019 um 13:41

Ich würde auf Plothole tippen. Ist dir aufgefallen, dass am Ende ein Stück Handlung fehlt? Plötzlich kommt Gavik aus dem Gefängnis frei. Wo aber war die Stelle, wo er überhaupt eingebuchtet wird? Und warum kommt Zera im Laufe der Geschichte nicht ein einziges Mal die Idee, dass sie Luciens Herz doch gar nicht mehr braucht, nachdem klar ist, wer der Kriegstreiber ist.

E-möbe kommentierte am 24. Februar 2019 um 14:15

Die Sache mit dem Einbuchten und so habe ich nicht so streng empfunden, weil Zera ja nicht dabei war und es sowieso nur aus Berichten hören könnte/konnte.

Aber die Sache mit dem Herz ist echt lächerlich, oder? Warum schickt sie den Hexen nicht mal eben eine Posteule: Hi, Planänderung. Ich bringe euch das Herz des Kriegstreibers, erstens ist er hässlich, zweitens bin ich nicht in den verknallt, drittens ist er eh ein Arsch, viertens wird er nicht von einem Superkrieger bewacht und fünftens rückt mein eigenes Herz raus, ihr blöden Kühe, sonst schicke ich euch Dieter Bohlen auf den Hals!

lex kommentierte am 24. Februar 2019 um 15:17

Das fand ich auch seltsam. Dass Zera zwischen "Yippieh, ich bin so lustig und schlagfertig" und "Oh Himmel, ich muss dem armen Lucien das Herz rausschnippeln" nicht ein einziges Mal der Gedanke kam: "Momentchen mal, man könnte es doch ganz anders machen!"

Bei Gavik denke ich trotzdem, wenn man schon erwähnt, dass er aus dem Knast ausbricht, sollte man vorher einmal kurz anmerken, dass er dort gelandet ist. Also ein paar Sachen waren ungefähr so logisch wie "WO IST SIE"? :-)

E-möbe kommentierte am 24. Februar 2019 um 15:53

Ich liebe "Wo ist sie?"!!! :D