Rezension

Viieel zu kleine Füße! - Eine Katastrophe in Buchstaben!

Das Luther-Plagiat - Stephan Naumann

Das Luther-Plagiat
von Stephan Naumann

Der Roman soll ganz offensichtlich auf Dan Browns Spuren (noch ein Klon, wie originell!) wandeln, doch sind dessen Fußstapfen etliche Nummern zu groß für „Das Luther Plagiat“. Man kann über Dan Brown denken, was man möchte, aber er kann schreiben. Das geht Stephan Naumann doch noch sehr erheblich ab. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, der Text wäre von einem Mittelschüler der sechsten Klasse verfasst worden, Zitat: „…half ihm in den Sitz auf…“ Noch eine Kostprobe? Gerne. Das Buch ist voll von Stilblüten dieser Art:

„Seine hohle Hand wies um Verständnis bittend auf Valeska Sager...“

Jener ungelenke, fast kindliche Schreibstil ist das Erste. Aber schlimmer noch ist das Zweite: Die Protagonisten sind so plakativ und klischeebeladen, dass es wehtut. Der ermittelnde Hauptkommissar Brandl ist ein blendend aussehender, großer Endzwanziger (und schon Hauptkommissar?!) wie aus der Lifestyle-Werbung. Doch natürlich hat er sein Trauma und natürlich – wie kann es anders sein? – besteht dies aus dem kürzlich stattgefundenen Tod seiner jungen Ehefrau. Dieses Trauma wälzt er grüblerisch seitenlang aus, während er aus dem (selbstverständlich oberstylischen und immer wieder mit dem Typnamen erwähnten) Wagen steigt und sich die paar Schritte zum Tatort begibt. Die als weibliche Hauptrolle auserkorene Protagonistin, von der man schon bei ihrem zweiten Auftreten weiß, dass sie wohl die neue Gefährtin unseres einerseits strahlenden, andererseits schwermütigen Helden wird - die glänzende Schwermutbefreierin! - schüttelt mit jeder Kopfdrehung das Haar auf eine glitzernde Weise, dass man glaubt in einen Shampoo-Spot geraten zu sein. Das erwartet man vielleicht bei Rosamunde Pilcher, aber nicht hier. Doch die Qualen schon in diesem ersten Fünftel des Werks haben noch kein Ende. Es gibt noch drittens: Die Protagonisten handeln oft seltsam unmotiviert, z.B. ein Professor, der soeben unter Gewaltanwendung ein scheinbar wertvolles, mittelalterliches Kirchendokument gestohlen hat, sucht völlig kopflos als Allererstes nach dem Raub eine Kirche auf um zu beichten. Ein Professor! Ein Mann mit Verstand und Erfahrung! Wenige Minuten nach der Tat! Aber irgendwie muss der polnischstämmige Priester ja in die Story mit reingezogen werden. Und der Strippenzieher im Hintergrund wird „Meister“ genannt. Uuhh, wie geheimnisvoll. Sein Erfüllungsgehilfe, ein russischstämmiger (auch überaus originell), skrupelloser Gangster, kriegt immerhin schon mal ein „Da!“ in seiner Muttersprache hin. Ganz von derlei Quatsch abgesehen, sind die einzelnen Aktionen so durcheinander geschildert, als hätte der Autor selbst den Überblick verloren, was er seine Figuren in jenem Moment hatte tun lassen wollen und vor allem, als hätte der Lektor das Manuskript im Vollkoma geprüft. Es ist wirklich schwer zu glauben, dass dieses „Werk“ aus einem Verlag kommt.
In diesem qualvollen Stil geht es weiter, durch polizeiliche Zeugenbefragungen, die von Ermittlerseite so infantil geführt werden, dass ein Grundschüler sie besser hinbekommen würde, durch ermüdende Eigenpsychogramme der Protagonisten und nicht minder ermüdende Reflektionen derselben und durch eine Story... Augenblick mal! Story? Welche Story? Sorry, aber wen juckts heutzutage noch, sollte der Reformator Luther seinerzeit von Hus abgeschrieben haben? Doch anscheinend soll dem Leser von dieser ungeheuerlichen Frage nichts minder als der Atem geraubt werden. Nun gut, bei mir hat das insofern gewirkt, dass ich gegähnt habe und zuweilen auch gelacht, wie man es auch unter Schmerzen hinbekommt, wegen der unfreiwilligen Komik, die sich aus dem Dilettantismus dieses Romans entwickelt, der eigentlich nur in den Passagen lesbar ist, die vermutlich aus Geschichtsbüchern abgeschrieben wurden. Nach Verfolgungen, Jagden und Ermittlungen, anhaltend auf Sechsklässlerniveau mit Cora-Roman-Einschlag, mündet das Ganze mehr oder weniger und schließlich und vor allem ENDLICH in einen Attentatsversuch auf den Papst – drunter geht’s nicht. Warum nicht auch noch auf den amerikanischen und/oder russischen Präsidenten? Na ja, egal, selbstverständlich ist ein Mitbetreiber dieses perfiden, das Blut stocken lassenden Anschlags ein karrieregeiler Kurienkardinal, der auf diesem Wege selbst Papst werden möchte. Boah eh! Vereitelt wird der Plan von unserer heldenhaften Schwermutbefreierin, die, selbst angeschossen – welch ein fürchterlicher Schock für Brandl – ihrerseits dem Papst eine Kugel verpasst, um ihn zu retten, um dann selig in die Arme ihres geliebten Hauptkommissar-Beaus mit dem stylischen Corrado zu sinken.

Wer im Zusammenhang mit „Das Luther Plagiat“ die Worte „Spannung“ und „interessant“ benutzt, hat den Text entweder nicht gelesen oder er wurde dafür bezahlt, denn das müsste man eigentlich, um das zu lesen: bezahlt werden.