Rezension

Virtueller Blick ins Totenreich - Gute Idee, Schwächen in der Umsetzung

Soul Beach 01. Frostiges Paradies - Kate Harrison

Soul Beach 01. Frostiges Paradies
von Kate Harrison

Bewertet mit 3 Sternen

„Soul Beach – Frostiges Paradies“ von Kate Harrison ist der erste Band einer Trilogie und besticht abgesehen von seinem auffälligen Äußerem – einem matten pink-schwarzen Cover und einer schwarz gefärbten Schnittfläche der Seiten – mit einer spannenden Grundidee, die das Paranormale mit der modernen Welt des Internets verbindet.

Inhalt: Alice trauert um ihre tote Schwester Meggie, die vor Monaten einem immer noch ungeklärten Mord zum Opfer fiel. Zuerst glaubt sie an einen üblen Streich, als sie eines Tages eine E-Mail erhält, in der sie in Meggies Namen auf eine Internetseite namens „Soul Beach“ eingeladen wird. Doch es ist kein Streich, Meggie und viele andere jung verstorbene Menschen leben dort, an einem virtuellen Traumstrand, der auch Alice in seinen Bann zieht. Aber warum sind all die jungen Menschen dort? Ist dieser wunderschöne Strand das Paradies? Je häufiger Alice ihre Schwester besucht, desto unsicherer wird sie…

Die Grundidee dieser Trilogie fand ich eigentlich faszinierend. Dennoch ist mir bereits der Einstieg in die Geschichte schwer gefallen, denn die Autorin schafft es nicht recht, ihre Welt auch stimmig erscheinen zu lassen, was für mich der größte aller Kritikpunkte ist.
Alice besucht den „Soul Beach“ über ihren Computer, er ist eine Seite im Internet, auf der sie sich einloggt und die sie dann von ihrem Stuhl in ihrem Zimmer durch einen Bildschirm beobachtet. Doch das scheint die Autorin immer wieder zu vergessen – sie musste nicht nur mich ständig dran erinnern, es schien mir auch, als würde sie sich selbst immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

Denn sie beschreibt den Soul Beach so, als wäre Alice wirklich dort. Beschreibt Brisen, die Alice auf der Haut spürt, beschreibt den Sand unter Alice Füßen, beschreibt Gerüche, die Alice wahrnimmt – und weist dann direkt im nächsten Satz darauf hin, dass all diese Sinneseindrücke natürlich nur „virtuell“ vorhanden seien. Aber wie? Wie riecht man virtuell, wie spürt man einen virtuellen Luftzug? Hätte die Autorin diesen überhaupt beschreiben dürfen? Eigentlich nicht, denn Alice betritt diesen Strand nie wirklich, sie sitzt in ihrem Zimmer. Wie soll das funktionieren, wie stellt sich die Autorin diese Welt vor? Das Traurige ist, ich habe 350 Seiten gelesen und habe nicht die geringste Ahnung. Und die kleinen Hinweise auf die Virtualität zwischendurch, nach fast jedem Sinneseindruck der eigentlich nicht hätte sein dürfen, haben bei mir den Eindruck erweckt, dass es der Autorin selbst kaum anders erging.

Das Grundgerüst der Geschichte funktioniert an sich leider schon einmal nicht. Die Autorin hätte in meinen Augen sehr viel mehr Magie zulassen müssen. Hätte Alice zum Beispiel von ihrem Schreibtischstuhl an den Strand zaubern müssen. Aber das tut sie nicht und deswegen kollidieren ihre Beschreibungen mit der Realität und bilden unüberwindbare Brüche in der Logik, die bei einem guten Fantasy-Roman eigentlich nicht vorkommen dürfen.

Auch der Handlungsverlauf holpert ein wenig. Zunächst baut sich die große Spannung eigentlich dadurch auf, dass Alice in ihren Treffen mit Meggie eine neue Chance sieht, den Mörder ihrer Schwester endlich zu finden. Dass eine 16-jährige Londonerin meint, den Mord, an dessen Aufklärung die Polizei seit Monaten verzweifelt, auf eigene Faust lösen zu können, ist dabei vielleicht ein bisschen weit hergeholt, aber trotz alledem ist es spannend, zumal der Mörder in einigen gruseligen, kurzen und durch eine andere Schriftart hervorgehobenen Kapiteln seine Tat aus seiner Sicht schildert und dabei auch in Bezug auf Alice immer bedrohlicher erscheint.

Doch Alice selbst schwenkt zwischendurch um. Zwar bleibt der Mord an ihrer Schwester das übergeordnete Thema des Buches, doch in diesem ersten Band widmet sie sich plötzlich deutlich mehr der Aufklärung eines anderen Todes. Dieser Umschwung von einem Interesse zum nächsten ging dabei so schnell, dass mich beim zweiten Fall die Spannung nicht mehr recht packen wollte – ich war doch noch dabei zu grübeln, wer wohl Meggies Mörder sein könnte, eine Frage, von der ich nun vermute, dass sie sich über die gesamte Trilogie ziehen wird, während Alice sich noch einigen anderen armen Seelen des Soul Beachs widmen und ihre völlig unglaubwürdige Liebesgeschichte auskosten wird.

Wie diese Liebesgeschichte funktionieren kann, kann die Autorin leider ebenso wenig erklären, wie sie ihre paranormale Welt der Toten erklären kann. Zusätzlich dazu ist es kitschig und vorherzusehen – ach ja, und die ebenfalls gutaussehende und reiche Ergänzung zur obligatorischen Dreiecksbeziehung steht auch schon in den Startlöchern. Das erschien mir alles in allem doch ein wenig plump, obwohl die Charaktere jeder für sich sympathisch und/oder interessant und vielschichtig sind.

Auch im Gesamten betrachtet ist „Soul Beach“ an sich kein schlechtes Buch. Es ist spannend, es unterhält gut und der Schreibstil ist zwar nicht außergewöhnlich, aber flüssig zu lesen, sodass die Geschichte, die zudem einige wirkliche Gänsehautmomente zu bieten hat, schon zu einem kurzweiligen Vergnügen wurde, aus dem ich aber durch all die kleinen und größeren Logiklücken immer wieder hinausgerissen wurde. Insgesamt kann ich der Geschichte eine ordentliche Spannung und eine gewisse Sogwirkung allerdings nicht absprechen. Das Ende war dann aber leider wieder eher durch Kitsch und noch größere Logikfehler gekennzeichnet und konnte mich gar nicht mehr überzeugen.

Fazit: „Soul Beach – Frostiges Paradies“ ist ein zweischneidiges Schwert. Die Grundidee ist sehr interessant, die Umsetzung weist aber zu viele logische Fehler auf. Die Handlung ist sehr spannend, verliert aber den Fokus und wechselt zu schnell auf ein neues Kernthema. Die Charaktere sind sympathisch, die Liebesgeschichte überzeugt aber nicht. Insgesamt hinterlässt dieser Trilogie-Auftakt einen durchwachsenen Eindruck. Ich vergebe 3 Sterne.