Rezension

Virtuos und originell!

Virtuosity - Liebe um jeden Preis - Jessica Martinez

Virtuosity - Liebe um jeden Preis
von Jessica Martinez

Bewertet mit 4.5 Sternen

«Wir blieben beide stumm. Das gegenseitige Verständnis hatte den Druck weggenommen: Wir mochten und hassten einander. Es gab nichts, was wir dagegen tun konnten. Einer von uns würde gewinnen, das Leben des Verlierers wäre ruiniert. Und egal, wie sehr wir versuchten, uns vom Gegenteil zu überzeugen: Vergebung wäre unmöglich.»
[aus Virtuosity: Liebe um jeden Preis von Jessica Martinez; S. 91-92]

Erster Satz:
Das Balkongeländer fühlte sich kühl an, als ich meine Wange dagegen presste.

Inhalt:
Die siebzehnjährige Carmen ist ein Wunderkind und eine der besten Violinistinnen ihres Alters. Sie tourt durch die Welt und spielt in ausverkauften Konzertsälen, doch was keiner weiß: Sie kann ihre Nervosität und den Druck vor Auftritten und inzwischen sogar vor Übungsstunden nur noch mit Tabletten in den Griff bekommen. Noch dazu ist die Konkurrenz hart und in wenigen Tagen beginnt der Guarneri-Wettbewerb, einer der wichtigsten Wettbewerbe in der klassischen Musik, bei dem auch ihr härtester Konkurrent Jeremy King antreten wird. Als sie diesen dann kennenlernt, weiß sie, dass sie vorsichtig sein muss, denn der gleichaltrige Jeremy ist nicht nur ein unglaublicher Virtuose, er wirkt auch noch sehr anziehend auf Carmen. Bald hat sie die Wahl zwischen dem, was für sie wichtig ist und dem, was andere von ihr erwarten.

Schreibstil:
Mit einem leicht verträumten, aber dennoch sehr bodenständigen und einfachen Schreibstil entführt Jessica Martinez ihre Leser in die Welt der klassischen Musik. Dabei schreibt sie so flüssig und weckt die Neugierde, dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann und sich sehr leicht und schnell lesen lässt. Sicherlich weist ihr Schreibstil keine Besonderheiten auf, aber dennoch schafft sie es ihre Geschichte auf einem annehmbaren Niveau zu halten und Carmens Leben so zu verpacken, dass es interessant und sogar spannend für den Leser ist.

Meinung:
Leistungs- und Erfolgsdruck hat sicherlich jeder einmal, doch was ist, wenn es nicht um eine unwichtige Mathearbeit, sondern um den berühmtesten und angesehendsten Wettbewerb für klassische Musik auf der ganzen Welt geht? Was wäre, wenn deine Zukunft von diesem einen Sieg abhängen würde und wenn die Erwartungen derart hoch sind, dass es beinahe unmöglich ist, dem Druck standzuhalten? Greifst du zu Tabletten? Lässt du dich von deiner erfolgsorientierten Mutter leiten, die dich an der kurzen Leine hält? Oder tust du das, was du wirklich willst, auch wenn es womöglich das Ende deiner Karriere bedeuten könnte? Antworten zu diesen Fragen und mehr verpackt Jessica Martinez in ihrem Jugendroman "Virtuosity: Liebe um jeden Preis" und hat damit mitten ins Herz getroffen.

Ich muss sagen, dass meine Erwartungen denkbar klein waren und ich eine eher flache, nichtssagende Liebesgeschichte erwartete, die vor Kitsch mal wieder nur so tropfte, doch was ich letztendlich serviert bekam, war weit mehr als das, denn die Geschichte um Carmen hat um einiges mehr zu bieten, als eine zuckersüße Liebesgeschichte, an der man sich die Zähne ausbeißt. Es geht nicht nur um die erste Liebe, sondern um größere Problematiken, wie Leistungsdruck, Mut und Selbstfindung. Dass dabei das ein oder andere Klischee auftaucht, kann man der Geschichte leicht verzeihen, denn so traurig das auch ist, aber die meisten dieser Klischees sehe ich mehr bestätigt, als mir manchmal lieb ist.

Bücher, die sich um Musik drehen - vor allen Dingen um klassische, die sich unter Jugendlichen ja meist nicht allzu großer Beliebtheit erfreut - klingen nun für manche womöglich erstmal ziemlich weit entfernt und man könnte denken, dass man sich nur schwer mit dieser Thematik identifizieren kann und auch ich hatte diese Bedenken, obwohl ich dann und wann klassische Musik eigentlich ganz gern höre - Nur Hören und Spielen sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Trotzdem kann ich diejenigen beruhigen, die vielleicht von dem Thema ein wenig abgeschreckt sind: Selbst, wer nicht so einen großen Bezug zu dieser Musikrichtung hat, wird sich schnell in der Geschichte einfinden, denn die Gefühle die Carmen beim Spielen hat, werden sehr glaubwürdig beschrieben. Die Erfahrungen der Autorin in diesem Gebiet machen sich hier stark bemerkbar und das verleiht der Geschichte die nötige Glaubwürdigkeit.

Auch die Charaktere setzen diese Glaubwürdigkeit fort, denn obwohl die oben genannten Klischees sich vor allen Dingen in den Figuren breitmachen, wirken sie - vielleicht sogar gerade dadurch - realitätsnah und sind sehr gut gezeichnet. Allen voran Protagonistin Carmen, die sehr sympathisch ist und erst im Laufe des Buches zu sich selbst findet und steht. Die Entwicklung, die sie durchmacht ist verständlich und spitzt sich immer mehr zu, sodass man ihr sehr gut folgen kann. Ihre Gedanken sind durch die Ich-Perspektive klar verständlich und sie weist eine gewisse Tiefgründigkeit auf. Ihr Gegenpart Jeremy konnte mich ebenfalls voll und ganz überzeugen, denn er ist ein interessanter und faszinierender Charakter, der mit vielen Facetten zu glänzen weiß, obwohl er nicht immer das Richtige tut. Sein Leben ist ebenso wie Carmens auf keinen Fall leicht und auch er hat einige Hindernisse zu überwinden. Klischeebelastet war vor allen Dingen die erfolgsorientierte Mutter Diana, die ihre eigene Gesangskarriere aufgeben musste und dies nun mit Carmens Talent zu kompensieren versucht, sowie der uralte, mürrische und eigenwillige Musiklehrer Juri, der mich gegen Ende sehr berührt hat.

Die Liebesbeziehung zwischen Carmen und Jerermy schlägt eher leise Töne an und ist gerade dadurch glaubwürdig und schön. Sie entwickelt sich nach und nach und kommt auch ohne viele Kitschbekundungen aus, was mir sehr gut gefallen hat. Durch die äußeren Umstände hat sie natürlich ihre Aufs und Abs und Carmen wird irgendwann vor die Wahl gestellt. Allerdings geht es meiner Meinung nach nicht so sehr um die Liebe, sondern vielmehr um sie selbst und das hat mir an dem Buch auch am allermeisten gefallen: Es ging darum, Mut und sich selbst zu beweisen und das zu tun, was richtig für einen selbst ist. Die Liebe spielte hierbei zwar auch eine Rolle, aber dennoch hat sie sich nicht so weit in den Vordergrund gedrängt, wie ich es erwartet hatte.

Besonders schön an der Geschichte ist einfach, dass sie quasi vom Leben selbst geschrieben wurde, denn ob nun im Musikbusiness oder in der Schule - So ähnlich hätte sie überall und bei jedem ablaufen können. Sie ist authentisch und realistisch und setzt sich noch dazu kritisch mit dem Musikgeschäft und dem damit zusammenhängenden Druck auseinander. Es fällt dem Leser daher sehr leicht sich mit der Thematik zu identifizieren und man wird sich das ein oder andere Mal sicherlich auch selbst zwischen den Zeilen wiederfinden.

Fazit:
Eine virtuose Geschichte um Musik, Leben, Liebe und der Weg zu sich selbst, die mich überraschenderweise sehr in den Bann gezogen hat. Mit viel Gefühl, Authentizität und einer Geschichte, wie sie das Leben selbst geschrieben haben könnte wird der Leser in den Klang der klassischen Musik gezogen. Kritisch beäugt das Buch die Gesellschaft und den Leistungsdruck, der beinahe unerträglich scheint, sodass es dem Leser sicherlich leicht fallen wird, sich mit der Geschichte zu identifizieren. Mit winzigkleinen Schwächen dennoch absolut lesenswert und Musik in meinen Ohren! 4,5 Sterne