Rezension

Virtuosi, kalter Kaffee und des Sonnenkönigs Stasi

Der Kaffeedieb - Tom Hillenbrand

Der Kaffeedieb
von Tom Hillenbrand

Bewertet mit 3 Sternen

Diebe im 17. Jahrhundert sind ein anstrengendes Völkchen – zumindest diejenigen, die es nicht auf einfachen Taschendiebstahl und Trickbetrug abgesehen haben. Obediah Chalon ist nicht der Held, den ich mir von der Lektüre erträumt habe. Seine Figur brachte in mir die größte Aufschieberitis hervor seit Ende meiner Unitage. Dafür ist mein Bücherregal jetzt allerdings neu sortiert und meine Wohnung blitzeblanke sauber. Dankeschön! Woran hat es gelegen? Ich kann es nicht genau fassen, die Story an sich ist eigentlich recht interessant und versprach ein Märchen aus 1001 Nacht zu werden oder mich zumindest in den Orient zu entführen. Ich hatte zuletzt gute Erfahrung mit dem Architekt des Sultans von Elif Shafak gemacht und erhoffte mir ähnliches Vergnügen vom Kaffeedieb. Dafür kann ja der gute Tom Hillenbrand nichts, man sollte einfach keine Äpfel mit Birnen vergleichen ohne nicht wenigstens beide gekostet zu haben. Über die ganzen sich wortreich ausbreitenden Virtuositheorien des Obediahs und seinen Freunden gerät das erwartete Abenteuer nämlich ganz schön ins Stocken und selbst mir geduldigen Leser wurde durch die ausführliche Erzählung der Planung des Raubzuges allmählich die Neugier auf die Kaffeeplantage ausgetrieben und ich musste umdenken. Die eigentliche Story nämlich ist die politische Situation in Europa dieser Tage. Ganz im Zeichen der großen Monarchien und ihrer Kämpfe um die Vormachtstellung und die Aufteilung der neuen Handelsgüter neuer Welten, zeigt mir Hillenbrand mit seinem Roman ein mir unbekanntes Europa. In einem ausgeklügelten Netzwerk standen die klügsten Köpfe der Länder in engem Kontakt, ausspioniert von den Königshäusern mit Methoden, gegen die die Geschichten um die drei Musketiere von Dumas wie alberne Kindermärchen wirken und die heutige Verschlüsselung unserer Email-Provider Rossignol samt seiner Dechiffrierer nur ein müdes Lächeln entlockt hätte. Die Frühe Neuzeit bringt viele neue Ideen in die Reiche und begründet den Grundstein unserer technisierten Welt. Der sogenannte Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten und Tom Hillenbrand führt uns die Begeisterung ihrer Schöpfer daran rücksichtslos vor. Ein kluger Roman, dessen Inhalte sich nur langsam konsumieren und Raum für viele schöne Nebenprojekte, wie Bücher umräumen und Wohnung putzen lassen.