Rezension

Völlig totgeredet

Janusmond - Mia Winter

Janusmond
von Mia Winter

Bewertet mit 2 Sternen

»Leon spürte, dass sie sich über ihn unterhielten. Er lächelte die Frauen an. Das mochte er, diesen Moment. Die Zeit, da sie noch nicht ahnten, wie er in Wirklichkeit war.«

Mit diesem Krimi ging es mir ähnlich wie besagten Frauen mit Leon. Als ich die Leseprobe las, ahnte ich noch nicht, wie das Buch in Wirklichkeit war.

 

Ein heißer Sommertag in einer Stadt namens Louisson in Südfrankreich. Als Inspektor Christian Mirambeau mit dem Deutschen Leon Bernberg spricht, der seine Zwillingsschwester Lune sucht, glaubt er noch an einen normalen Vermisstenfall. Lune war vor ungefähr 11 Jahren nach Louisson gezogen, um dort zu studieren. Seit über 10 Jahren soll sie spurlos verschwunden sein und Christian ist zurecht irritiert, weshalb nun erst nach ihr gesucht wird. Zumal der Bruder eigentlich nur eine Bescheinigung haben möchte, damit Lune in Deutschland für tot erklärt werden kann. Da er ein guter Polizist ist, stellt er natürlich nicht einfach eine solche Bescheinigung aus, sondern begibt sich auf die Suche nach der Verschwundenen. Während dieser Suche wird es in seiner Stadt einige grausame Morde geben, er wird auf weitere lang verschwiegene Verbrechen stoßen und ganz nebenbei sein bisheriges Leben auf den Kopf stellen.

 

Wie schon gesagt, die Leseprobe gefiel mir gut. Leons Gedanken kreisen unaufhörlich um seine Schwester, man bemerkt diese besondere innige Verbundenheit, die man bei Zwillingen häufig erlebt. Die anfänglichen Rückblenden in seine Kindheit offenbaren ein stark gestörtes Verhältnis zwischen seiner Schwester und ihrer Mutter. Spontan dachte ich mir: Hier wäre ganz dringend eine Familientherapie nötig gewesen, oder alternativ ein guter Kinderpsychologe für die Tochter und ein Spitzentherapeut für die Mutter. Stattdessen ergehen sich Mutter und Großmutter immer wieder in der Aussage:

»Dieses Mädchen bringt das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein.«

 

Bis hierhin war ich immer noch sehr neugierig. Ich erwartete eine spannende Handlung mit mehreren psychisch kranken Menschen. Diese kranken Menschen sind auch zweifelsfrei da, sogar noch weit mehr als die schon genannten, aber Spannung kam für mich leider überhaupt nicht auf. Ich fand das sehr schade, denn die Ansätze der Geschichte waren prima. Aber die Charaktere boten, auch in Bezug auf ihre Taten, für mich keine Überraschungen. Dafür redeten sie einfach allesamt viel zu viel. Leicht überspitzt könnte ich zusammenfassen: Sie dachten über all ihre Probleme, über Gott und die Welt und insbesondere ihr eigenes Schicksal nach, dann schrieben sie das alles auf und schickten es als Brief an einen der anderen Charaktere, der vieles davon schon wusste und selber schon erzählt hatte, aber trotzdem noch mal den ganzen Brief vorlas. Ich vermute, das sollte die Störung der jeweiligen Personen verdeutlichen, allerdings hätte ein Bruchteil davon auch ausgereicht, um diesen Zweck zu erfüllen.

 

Ein Teil der Handlung spielte im städtischen „Hurenviertel“, spezielle sexuelle Vorlieben wurden thematisiert und es gab einige Charaktere mit freizügiger Lebensweise. Auch hier hätten diverse Szenen sehr interessant oder erotisch sein können, wenn sie nicht ebenfalls total zerredet worden wären.

 

Hinzu kamen noch ein paar für mich absolut unrealistische Dinge. Beispiel: Ich weigere mich einfach zu glauben, dass ein gestandener Polizist einen Mann, den er im Rahmen einer Ermittlung kennengelernt hat und seit drei Tagen kennt, in seiner Wohnung aufnimmt und ihn dort tagelang mit seiner Ehefrau und drei kleinen Kindern allein lässt, weil er nicht mehr in sein Hotel zurückmöchte, nachdem er dort sein Zimmer zerlegt hat. Vermutlich sollte mich das davon überzeugen, was für ein überaus einnehmendes Wesen dieser Mann hat, aber ich glaube es einfach nicht.

 

Fazit: Gute Idee, aber in der Umsetzung für meinen Geschmack völlig totgeredet.