Rezension

Völlig überbewertet!

Shades of Grey 01 - Geheimes Verlangen - E L James

Shades of Grey 01 - Geheimes Verlangen
von E L James

Bewertet mit 2 Sternen

Ich denke, über den Inhalt muss ich an dieser Stelle nicht mehr viel sagen. Und um ehrlich zu sein, einen wirklichen Inhalt kann dieser immerhin 600 Seiten starke Schmöker auch nicht aufweisen ...
Warum ich diesem Megabestseller nur 2 Sterne vergebe? Nun, entweder wird dieses Buch heiß geliebt oder innig gehasst - bei mir tendiert es eher zum Letzteren, und dafür gibt es verschiedene Gründe - nicht nur die vielzitierten sprachlichen Entgleisungen wie "postkoitale Haare" oder die "innere Göttin" (OMG!!!).
Zum Einen ist es der Sprachstil. Dieser zeichnet sich durch eine überbordende Redundanz aus, sowohl sprachlich als auch thematisch. Folgendes wird z.B. ständig wiederholt: wie unglaublich SCHÖN Christian ist, dass Ana rot wird, dass sie auf ihrer Unterlippe kaut, dass Christian Stimmungsschwankungen hat, dass er Ana kontrolliert, dass Ana sich nicht entscheiden kann, ob sie nun will oder nicht etc. Im Prinzip wird im gesamten Buch nicht viel mehr geboten als Anas krude Gedanken, ob sie nun eine "Beziehung" zu Christian eingehen soll oder nicht, es ist eigentlich nur ein ständiges Hin und Her. Damit kann man leider keine 600 Seiten sinnvoll füllen. Nun muss man der Geschichte zugute halten, dass es ursprünglich eine Fanfiction war und aus der Warte betrachtet muss ich sagen, dass es eine der besseren ist. Aber man kann doch nicht einfach eine Fanfiction 1:1 übernehmen und als Buch veröffentlichen!! Mir hat hier eindeutig ein Lektor gefehlt, der sich der Geschichte annimmt und Überflüssiges - sowohl wörtlich als auch thematisch - konsequent streicht. Denn wie gesagt, der Plot ist für 600 Seiten einfach nicht ausgelegt.
Zum Anderen liegt ein großer Schwachpunkt in den Charakteren. Diese sind m.E. nicht ausgereift, sind sehr klischeebehaftet und teilweise einfach unglaubwürdig. So unbedarft und naiv Ana auch sein mag, es ist schlicht unrealistisch, dass jemand zum Ende seines Studiums keine Email-Adresse besitzt. Heutzutage läuft an Universitäten ein Großteil der Kommunikation und Administration online, auch für Studenten. Dann hat Ana immerhin englische Literatur studiert - und kommt trotzdem total weltfremd daher. Ich habe auch ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert, und was ich aus meiner Beobachtung und Erfahrung sagen kann ist, dass ein Mensch durch ein Studium reift. Solch ein sozialer und intellektueller Reifeprozess scheint an Ana irgendwie vorbeigegangen zu sein ... Auch Christian macht keine bessere Figur: Nach außen hin sehr kontrolliert und dominant, ist er nach innen emotional verkrüppelt und zwanghaft zu sein. Da haben auch offenbar seine zig Therapiestunden nichts geholfen. Tja, will er sich überhaupt helfen lassen und sich ändern, mag der Leser da fragen? Zudem ist es ein Rätsel, wie er ein weltweit operierendes Unternehmen führen kann, wenn er ständig seine Subs, und in diesem Fall Ana, kontrolliert, sie spontan besucht, ihnen hinterherreist ...
Ana und Christian sind Mary Sue und Gary Stu: Sie das naive, schüchterne, ja weltfremde Mädchen, das es absolut nicht rafft, dass sich so ein unglaublich schöner, reicher, gutaussehender, wohlhabender, schöner ... ach ja, das hatten wir schon ... Mann in sie verliebt. Er der astronomisch reiche, bildschöne, dominante, weltgewandte und multitalentierte Typ (er kann echt ALLES, Helikopter fliegen, Klavier spielen, tanzen, verfügt über einen exquisiten Weingeschmack ...), der aber leider eine tief verletzte Seele hat, die wahrscheinlich nur Ana heilen kann. Wie gesagt, für eine Fanfiction ein akzeptabler Plot, nicht aber für ein 600 Seiten starkes Werk.
Was mich persönlich auch noch sehr gestört hat, ist die Tatsache, dass ich das Miteinander der beiden Protagonisten teilweise grenzwertig fand. Christian ist krankhaft kontrollierend, emotional labil und sehr egoistisch. Durch Sex versucht er Ana zu manipulieren und geht so oftmals tieferen Gesprächen aus dem Weg. Diese Szene, in der beschrieben wird, wie Ana - spaßeshalber - mit ihm Schluss macht, er plötzlich vor ihrer Tür steht und quasi über sie herfällt ... Das ist m.E. nicht ganz so weit von einer Vergewaltigung entfernt. Gut, das mag jeder Leser auch wieder anders sehen, aber ich musste da schon einmal tief durchatmen. Ähnlich ging es mir mit den sog. Bestrafungen. Diese grenzen m.E. schon an Misshandlungen! Ich dachte eigentlich, SM-Beziehungen sollen BEIDEN Partnern Lust verschaffen - in einigen Szenen in diesem Buch war das aber eindeutig nicht der Fall. Nein, das gefällt mir überhaupt nicht. Ana richtet sich nach einer Weile auch mehr und mehr nach Christians Stimmungen aus, beobachtet, wie er "drauf" ist - und verhält sich dann entsprechend dieser Stimmung. Auch das halte ich für einen bedenklichen Schachzug.
Aber um nicht noch mehr ins Detail zu gehen, möchte ich zusammenfassend zu der Beziehung zwischen Ana und Christian sagen: Mir erschien sie zu asymmetrisch, ungesund und sehr ambivalent. Ich konnte mich zu keinem Zeitpunkt mit Ana oder auch Christian identifizieren, dazu waren mir die Charaktere zu wenig psychologisch fundiert und glaubwürdig ausgearbeitet. Streckenweise ist die Erzählung auch einfach langweilig, weil weder die Handlung noch die Figuren voranschreiten. Großartige Entwicklungen gibt es nicht, leider auch keine interessanten Nebencharaktere.
Was die Sexszenen anbelangt: Am Anfang fand ich sie sehr ansprechend, da sehr detailiiert, aber nie banal. Doch im weiteren Verlauf des Buches verlor sich dieses Prickelnde, da die Autorin zwar die Szenen variiert, leider aber nicht die Sprache, die sie zur Beschreibung verwendet. Irgendwann dachte ich halt, tja, das hatten wir doch schon irgendwie ... Schade!
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Fazit: ein durchschnittlicher Erotik-Roman, der häufige durchaus ansprechende und ungewöhnliche Sexszenen aufweist, der aber sprachlich und inhaltlich nicht überzeugen kann. Einen wirklichen sinnvollen Inhalt sucht man vergebens, die Protagonisten kreisen nur um sich selbst, Nebencharaktere = Fehlanzeige. Zudem erscheinen einige Szenen und Grundzüge der Paar-Beziehung grenzwertig. Auch die vielbemühten Hinweise auf eine BDSM-Beziehung sind m.E. Augenwischerei, letztlich geht es um eine ganz normale Mädchen-Jungen-Geschichte, wenn auch streckenweise in etwas ungewöhnlichen Bahnen.
Ich bin der Meinung, dass man dieses Buch NICHT gelesen haben muss und empfehle es nicht weiter.
Übrigens: ein Cliffhänger am Ende? Mitnichten! Für mich das einzig logische und glaubwürdige Ende der Geschichte!
2 von 5 Sternen